Radsportler Johannes Schäfer
Erfahrungen beim "Ötzi": Auf Augenhöhe mit der Spitze, über Hitze und Krämpfe
Fotos: privat
31.07.2023 / SÖLDEN/LAUTERBACH -
Erfahrungen zu sammeln, das ist das A und O in der Laufbahn eines Sportlers. Sie sind oft wichtiger als Erfolge oder vordere Platzierungen, die zwar schneller die Tür öffnen zu Auszeichnungen, Glamour oder dazu, auf kurzem Wege berühmt zu werden. Erfahrungen indessen bringen einen eher oder auch mehr voran, als man dies denkt. So mag sich auch der Lauterbacher Johannes Schäfer gefühlt haben, als er kürzlich den "Ötztaler" - die inoffizielle Weltmeisterschaft im Radmarathon - bestritt. OSTHESSEN|NEWS ließ er an seiner Gefühlswelt teilhaben.
Drei Ziele begleiteten Schäfer auf seinem Weg von Tirol nach Südtirol - und wieder zurück. Erstens: mit seinem neuen Team konkurrenzfähig zu sein und aufs Podium zu kommen. Letztes Jahr sprang mit alpecin Rang drei heraus - dieses Mal lief es mit VeloLease-MaskMediCare noch besser. "Wir sind das zweitbeste Team geworden", jubelte der Lauterbacher. Zweitens: Catherine Roßmann, die Johannes für sein neues Team gewinnen konnte, sollte ihren Vorjahressieg bei den Frauen wiederholen. Das gelang mit Rang drei nicht ganz - war aber als Erfolg zu bewerten. Drittens: sein eigener Auftritt. "Dieser Ötzi war für mich relativ entspannt. Ich wollte sehen, wie die Zusammenarbeit mit meinem neuen Trainer Fabian Dobner angeschlagen hat. Wie weit ich bin, um vorne mitfahren zu können." Als "Probe-Ötzi" etikettiert er sein Unternehmen in den Alpen. Als kleinen Test. Oder als Briefing.
Mit der Spitze auf du und du - mit den Top-Fahrern auf Augenhöhe
Es war ein gutes Gefühl, das der Lauterbacher spürte. "Ich musste nicht hochschauen, mich nicht umschauen. Ich war vorne bei den Favoriten und bin da mitgefahren." Er habe einen von ihnen vor sich gehabt, einen hinter sich, links von ihm, rechts von ihm ...". Und Johannes war mittendrin. "Sie waren um mich herum", sagte er treffend.
Spezielle Anekdote: Schäfer bot dem späteren Drittplatzierten Hilfe an
Eigener Rhythmus, Tempo raus - extreme Hitze macht zu schaffen
Dann passierte das nicht Berechenbare. Die Hitze machte den Fahrern zu schaffen. Eine extreme Hitze. Plötzlich waren die Höhen-Anpassung und die Hitze vorherrschende Themen. Doch Johannes biss sich durch. Auf der Abfahrt nach St. Leonhard hinunter - bis es rauf ins Timmelsjoch geht. "Als es da reinging, hab' ich zum ersten Mal gehört, welche Hitze wir hatten."
Krämpfe kamen hinzu - "wir bekamen viel Wasser gereicht"
Zehn Kilometer vor der Zielankunft hörten die Krämpfe auf. Endlich. "Oben ist es eh kühler. Etwa auf 2.500 Metern Höhe. Ich konnte krampflos weiterfahren." Zwei Kilometer waren es noch bis zur Mautstation, dem höchsten Punkt am Timmelsjoch." Ein gehöriger Schuss Freude kam hinzu, als plötzlich ein Teamkollege von Johannes auftauchte. "Wir sind zusammen nach Sölden hinuntergefahren. Und kamen nach sieben Stunden und 34 Minuten ins Ziel. Mit Platz 60."
"Hätte ich die Krämpfe nicht gehabt" ... - Die Sehnsucht nach einem kühlen Bier
Die Erfahrung, länger mit der Spitze mithalten zu können, wollte er nicht missen. Und er wird etwas los, das wohl in der Weltspitze der Sportler - und der Radsportler im Besonderen - verborgen ist. "Der Eine", sagt er, "kann das Leid länger aushalten als der Andere. Wenn du es schaffst, nicht im Leid zu ertrinken, sondern das Leid auf den Rücken zu schnallen ... Man muss sich mit dem Leid anfreunden oder verbünden. Obwohl es ein Teufel ist." Das lassen wir so stehen.
Wie eine Königsetappe bei der Tour de France - Ziel sind die Top Ten
Auch zu einer Einordnung des Ganzen lässt er sich noch hinreißen. "Was wir da fahren, ist wie eine Königsetappe der Tour de France. Von der Schwierigkeit her. Der Länge." Nicht umsonst ist "der Ötztaler" die inoffizielle WM der Radmarathon-Szene. "Es ist die Crème de la crème, die da fährt."Und Johannes Schäfer ist noch nicht am Ende. "Mein Ziel ist es, beim Ötzi mal in die Top Ten zu fahren." Jetzt weiß er, dass er sich dies zutrauen kann. Dass er es drauf hat. Dass es drin ist. "Vielleicht schaffe ich es ja noch, bis ich 30 bin. Ich habe noch drei Jahre Zeit." Er weiß, woran er noch arbeiten muss. Urteilt aber postwendend: "Wenn ich merke, ich erreiche das nicht mehr, arbeite ich trotzdem weiter. Auch Top 20 wäre ein toller Erfolg." Das sei mit viel Arbeit und Fleiß realistisch. OSTHESSEN|NEWS wünscht auf dem Weg dorthin das Beste. (wk) +++