Podiumsgespräch auf Point Alpha
Als Stall, Acker und Dorf ins Kollektiv gezwungen wurden
Fotos. Johannes Schneider
09.07.2023 / RASDORF/GEISA - Erst hü, dann hott und dann im Galopp: Von der Enteignung der Großbauern hin zum Kleinbauerntum, dann die Kehrtwende zum Agrargenossen in der LPG und schließlich mit der Wiedervereinigung der nächste Bruch mit dem Übergang in die Marktwirtschaft. Die Geschichte der Landwirtschaft in den ostdeutschen Bundesländern ist geprägt von harten (Um-)Brüchen. Die Auswirkungen sind bis heute spürbar. Ursachen und Folgen von "Plattenbau, Tierproduktion und Chemisierung – Die Industrialisierung der DDR-Landwirtschaft" wurden im Rahmen eines Podiumsgespräches im Haus auf der Grenze der Gedenkstätte Point Alpha in den Blick genommen.
70 Jahre ist es her, dass die DDR die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft einläutete. Fridtjof Florian Dossin (Bauhaus Universität Weimar) berichtete zu Beginn über die Entwicklungen der Landwirtschaft in der DDR, Veränderungen im gesellschaftlichen Leben und baulichen Konzeptionen in den Dörfern auf dem Land.
1952 beschließt die SED offiziell, die Agrarwirtschaft zu kollektivieren. Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) sollten die Lösung bringen. Dabei ging die Planung doch erst in die völlig entgegengesetzte Richtung: In der sowjetischen Besatzungszone war nach dem Zweiten Weltkrieg zuerst eine Bodenreform eingeleitet worden, verbunden mit Enteignungen von Großgrundbesitzern. Unter der Parole "Junkerland in Bauernhand" wurde der Landbesitz radikal umverteilt. Tausende meist unerfahrene Kleinbauern pflügten nun auf kleinen Flächen, die kaum rentabel zu bestellen waren.
Keine Freiwilligkeit, sondern Zwang
Die DDR-Führung erkannte das Dilemma. Wie auch andere Industriezweige und das Handwerk wurde die Landwirtschaft nach dem Vorbild der sowjetischen Planwirtschaft verstaatlicht und zentral gelenkt; auch die Bauern sollten den im Kommunismus vorgegeben Pfad "Vom Ich zum Wir" einschlagen. "Alle Mitglieder erhalten leistungsbezogene Löhne und Gewinnbeteiligungen. Wer nicht freiwillig mitmacht, wird gezwungen", blickt der ehemalige LPG-Vorsitzende Schumann zurück. "Im sogenannten sozialistischen Frühling treten rund 500.000 Bauern den LPG bei. Vorgegeben werden Quoten für Produktion und Ernte, die erfüllt werden mussten." Viele Landwirte entziehen sich dieser Zermürbungstaktik durch Flucht. Die verlassene Scholle wird enteignet.