Organisationen schlagen Alarm

Im doppelten Wortsinne: Die Überlastung der "Tafeln" ist ein Armutszeugnis

Dieses Schild verweist in der Weserstraße auf das Areal der Fuldaer "Tafel".
Archivfoto: O|N

06.07.2023 / KOMMENTAR - Im täglichen Wust der Meldungen drohte am Mittwoch eine Nachricht fast unterzugehen, die in ihrer Dimension erschreckend ist und deren Folgen noch gar nicht absehbar sind: Die "Tafeln"  in Deutschland stoßen immer mehr an ihre Grenzen, vielerorts herrscht Ausnahmezustand. Diese Entwicklung macht auch vor unserer Region nicht Halt.


Mitte Mai erst hatte Stefan Schunck, Erster Vorsitzender der Fuldaer "Tafel", erläutert, dass die Einrichtung momentan 740 Bedarfsgemeinschaften vom Single bis zur Großfamilie versorge, insgesamt 2.400 Menschen. Weil die Logistik nicht mehr bewältigt werden könne, stünden bereits 95 Familien auf der Warteliste.

Oder nehmen wir das Beispiel Hünfeld: Dort ist die "Tafel" seit dem 1. April an drei statt an zwei Tagen, dienstags, donnerstags und samstags, geöffnet. Notwendig wurde dies, wie vor Kurzem bekannt wurde, durch das starke Anwachsen der Bedarfsgemeinschaften auf nunmehr 280.

Während sich bundesweit an vielen Standorten die Zahl derer, die die Angebote der "Tafeln" in Anspruch nehmen (müssen), fast verdoppelt hat, sind parallel dazu die Lebensmittelspenden um die Hälfte zurückgegangen. Die richtige Reaktion von "Tafel"-Bundeschefin Michaela Engelmeier: Der Staat müsse das "Existenzminimum" der Menschen absichern. Denn in Zeiten von "Rekordinflation und Preisexplosion" könnten sich viele "nicht einmal mehr das Essen leisten". Diese Entwicklung betrifft freilich nicht nur Empfänger von Bürgergeld, sondern auch Millionen Geringverdiener und Rentner.

Die Rolle der Ehrenamtlichen

Meiner Ansicht nach ist ein schnelles Eingreifen des Staates unabdingbar, da wir uns ansonsten sehenden Augen weiter einer sozialen Katastrophe nähern. Für immer mehr Menschen sind die "Tafeln" zur einzigen Möglichkeit geworden, sich einigermaßen günstig mit Lebensmitteln versorgen zu können. Und für manche bildet das Gespräch mit den Mitarbeitern oftmals den einzigen sozialen Kontakt. Das ist einfach nur schlimm. Ebenso wie überhaupt die Tatsache zutiefst traurig ist, dass es in unserem noch immer wohlhabenden Land überhaupt "Tafeln" geben muss.

Apropos Mitarbeiter: Ohne das Engagement der ehrenamtlich Tätigen würden viele "Tafeln" gar nicht existieren können. Deren Wirken kann generell nicht hoch genug eingeschätzt werden, obgleich sehr viele an der Belastungsgrenze arbeiten – sowohl psychisch als auch körperlich.  Auch hier gilt es für den Staat, einzugreifen und nicht passiv zuzusehen. (Bertram Lenz) +++

O|N-Redakteur Bertram Lenz zu einer erschreckenden Entwicklung bei den \"Tafeln\".
Foto: O|N - Archiv / Laura Struppe

X