O|N-Kamingespräch

Bayerns Innenminister Herrmann: Letzte Generation keine Terroristen

O|N-Kamingespräch in der bayrischen Rhön. v.l. Christian P. Stadtfeld, Innenminister Joachim Herrmann, Hendrik Urbin und Staatssekretär Sandro Kirchner
Fotos: Martin Engel

07.07.2023 / RIEDENBERG (RHÖN) - Er zählt zu den profiliertesten Innenministern Deutschlands, seit über 15 Jahren ist er "DER Schwarze Sheriff" im Freistaat. Joachim Herrmann (66) ist neben Ministerpräsident Markus Söder einer der bekanntesten Persönlichkeiten der Bayerischen Landesregierung. Keine Clans in Bayern, topmoderne Polizei, eine starke Allianz mit Hessen und Angriffe auf die Ampel-Regierung - darüber sprach Herrmann im Kamingespräch.


Als Staatsminister des Innern und für Sport ist der CSU-Politiker mit Wahlkreis in Erlangen auch zuständig für das weite Feld der Integration. Herrmann ist oberster Sicherheitschef und unter anderem verantwortlich für rund 45.000 Beamte der Bayerischen Polizei. Am Donnerstag war Joachim Herrmann Gast des nunmehr dritten OSTHESSEN|NEWS-Kamingespräches im "Berghaus Rhön" nahe Riedenberg in Unterfranken. Anschließend weilte er gemeinsam mit seinem Staatssekretär Sandro Kirchner beim Sommerempfang der CSU in Bad Brückenau.

Die beiden OSTHESSEN|NEWS-Geschäftsführer Christian P. Stadtfeld und Hendrik Urbin freuten sich, zahlreiche hessische und bayerische Gäste aus Politik, Wirtschaft, Gesundheit und dem öffentlichen Leben begrüßen zu können. Darunter auch Bayerns Innen-Staatssekretär Sandro Kirchner (CSU), die beiden Landräte Bernd Woide (CDU / Fulda) und Thomas Bold (CSU / Bad Kissingen). Gekommen waren besonders auch Vertreter von Polizei, Rettungs- und Hilfsorganisationen.

Herrmann ist der dienstälteste Innenminister in der Bundesrepublik und genießt das Vertrauen von bislang drei Ministerpräsidenten (Günther Beckstein, Horst Seehofer und Markus Söder). Es sei kein Geheimnis, dass Bayern DAS sicherste Bundesland ist, so O|N-Chefredakteur Christian Stadtfeld. Per Video entbot der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), der Herrmann als "tollen Typen" bezeichnete, eine Grußbotschaft. Er habe als Innenmister (2010-2014) die Zusammenarbeit mit seinem bayerischen Kollegen sehr genossen: "Auf Joachim Herrmann kann man sich immer verlassen." 

Herrmann sprach von einer großen Ehre, zu diesem dritten O|N-Kamingespräch eingeladen worden zu sein. 1975 hatte ihn der Wehrdienst in die bayerische Rhön geführt, und so habe er neben dem Truppenübungsplatz Wildflecken besonders auch das Biosphärenreservat kennen- und schätzen gelernt. Es gebe eine gute Zusammenarbeit zwischen Bayern und Hessen, und am 8. Oktober, dem Tag der Landtagswahl, sollten beide Länder politisch Kurs halten. 

"Ordentlich die Arbeit machen", nannte er als Basis dafür, inzwischen so lange Innenminister zu sein. Herrmann hatte damals Günter Beckstein in diesem Amt beerbt. Freilich könne er sich auf sehr gute Mitarbeiter verlassen, so der Minister. Tausende von Menschen kümmerten sich um die Belange der Inneren Sicherheit, unterstrich der Innenminister im Gespräch mit O|N-Chefredakteur Stadtfeld. Scharf kritisierte er die Kürzungspläne der Bundesregierung, die aufgrund der großen Herausforderungen unverständlich seien. Die Innere Sicherheit sei von vielen Seiten her bedroht. Bayern habe immer in dieses Feld investiert, sagte Herrmann, der Augen zwinkernd anmerkte, dennoch keine Furcht zu haben, "die Grenze nach Hessen zu überschreiten". 

Es gebe viele schöne Flecken in der Rhön, so wie an diesem "herrlichen Platz", welchen er erstmals besuchen durfte. Diese Region sei einfach wunderbar, einfach herrlich, "und das verbindet Bayern ja mit Hessen". Viele in Südbayern wüssten wahrscheinlich gar nicht, wie schön es hier in der Rhön sein könne. 

Innere Sicherheit

Es gebe überall in Deutschland hoch engagierte Polizisten, doch komme es auf die Rahmenbedingungen an, und darauf, ob die politische Führung hinter den Beamten stehe und wie hoch die Investitionen für diesen Bereich seien. "Es kommt darauf an, wie die politische Führung ihnen zur Seite steht", so der bayerische Innenminister.

Es dürfe keine öffentlichen Diskussionen geben, die Polizisten unter Generalverdacht stellten. "In puncto Sicherheit brauchen wir einen starken Staat", formulierte Herrmann - "und dafür stehen wir auch uneingeschränkt". Klar sei auch, dass man bei einem berechtigten Verdacht gegen Polizisten diesem nachgehen müsse. Aber die Art, wie vielfach DIE Polizei in Misskredit gebracht werde, auch bei Rassismusvorwürfen, da müsse man dagegen halten. "Ich habe überhaupt nicht den Eindruck, dass meine Polizisten rassistisch wären", so Herrmann. Und weiter: "Das ist Blödsinn."

Was die aktuelle Flüchtlingsdebatte angehe, so müsse differenziert werden. Es gebe das Asylrecht, "und da müssen wir helfen". Nicht in Ordnung sei allerdings, dass Menschen im Lande blieben, obgleich von Verwaltungsgerichten festgestellt worden sei, dass sie kein Recht auf Asyl hätten. Und er könne nicht verstehen, dass Leute, die angeblich gefährdet seien und von Nicht-NGOs ausgesucht würden, in die Bundesrepublik kämen und hier bleiben wollten. Viele Kommunen stoßen laut dem Innenminister an ihre Grenzen, besonders in Bezug auf Integrationsprobleme, angefangen bei Kindergärten und Schulen.

Bayern habe die niedrigste Arbeitslosenquote, und dies gelte auch für Ausländer. "Uns gelingt stärker als allen anderen Bundesländern die Integration in den Arbeitsmarkt", sagte Herrmann. "Wir aber spüren hier bei uns schon, dass die Leute fragen, wo sollen wir denn mit den Leuten hin?" Und dies, obgleich hier ganz andere Voraussetzungen gegeben seien als in denjenigen Bundesländern, wo die Erwerbslosenquote bei rund 30 Prozent liege.

In Bayern würden die Integrationsmittel erhöht, während der aktuelle Etatentwurf des Bundes Kürzungen vorsehe. "Das kann nicht gut gehen", so der Innenminister. Er halte das Vorgehen der Ampelregierung hier für unverantwortlich. Andererseits dürfe auch dem "Unsinn der AfD" nicht gefolgt werden, wonach viel mehr Ausländer auch automatisch viel mehr Kriminalität bedeuteten. "Wir müssen den Zugang bremsen, aber diese pauschalen Vorwürfe bringen uns nicht weiter". Diejenigen, die da bleiben dürften, sollten so schnell wie möglich in den Arbeitsmarkt integriert werden. Und an den europäischen Außengrenzen müsse, wie vereinbart, kontrolliert werden - dies sei im Übrigen schon im "Schengen Abkommen" so fixiert. 

Auf die Thematik "Letzte Generation" eingehend, betonte der Innenminister: "Wir haben eine starke und unabhängige Justiz und eine gute Zusammenarbeit zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft in Bayern". Bei Extremismus-Straftaten liege die Ermittlungshoheit bei den (General)-Staatsanwaltschaften. Es sei offenkundig, dass ständig Straftaten begangen würden, seitens der "Last Generation". Die Palette reiche von Hausfriedensbruch über Sachbeschädigung bis hin zu Sabotage. Er halte nichts davon, dies mit Terrorismus zu vergleichen. Es werde auch nicht ermittelt wegen des Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung, sondern einer kriminellen. Alle 16 Innenminister hätten ausdrücklich Polizei und Justiz gebeten, ein Lagebild zu liefern. Und da solle die Justiz ihren Job machen, ermitteln und am Schluss die Ergebnisse vorlegen. Sogar Bundesinnenminister Nancy Faeser habe im Übrigen eine Razzia bei der "Letzten Generation" begrüßt. 

"Außer Ankündigungen passiert nichts"

Apropos Innenministerin: Faesers Pressestelle sei immer stark im Ankündigen, doch dann müsse man lange nach der Umsetzung suchen. So sollte eigentlich ein neues Kapitel im Katastrophen- und Bevölkerungsschutz aufgeschlagen werden, herausgekommen aber seien Kürzungen wie beispielsweise beim THW. Im neuen Etatentwurf werde weiter gekürzt, dies sei die Realität. Ihn ärgerten diese in die Welt gesetzten Sprüche, "und dann passiert nichts". Dies enttäusche und irritiere ihn. Zumal es besonders schlecht sei im Bereich der Inneren Sicherheit und sorge für Demotivation der Mitarbeiter. 

Dann gebe es aber noch die andere Baustelle der Ampelregierung: Insbesondere der Umgang mit den Ländern sei rücksichts- und respektlos, vom Verfahren her. "Das ist unglaublich" so Herrmann. "Die Länder erfahren viele Dinge überhaupt nichts, der Bund setzt plötzlich irgendetwas in die Welt und fragt überhaupt niemanden". Das sei teilweise ein Umgang, "das ist unglaublich". Dies führe zu handwerklichen Fehlern und zu Murks, wie dem Heizungsgesetz. Dies komme daher, weil man keinen Praktiker zurate ziehe. Das aber gehöre zu den Grundfesten des föderalen Rechtsstaates.

Auf die Äußerung von SPD-Spitzenkandidatin Faeser, Boris Rhein sei ein "Grüßaugust", stellte Herrmann klar, dass der amtierende hessischen Ministerpräsident ein sehr guter MP sei. Es sei richtig, dass sich dieser auf Hessen konzentriere. Er sage den Leuten auch "Grüß Gott", wenn er sie sehe. In diesen Zeiten sei es wichtig, dort zu sein, wo die Menschen seien und unmittelbar mit ihnen zu reden. Er finde es gut, wenn Politiker so auf die Leute zugingen und zu erfahren, wo diese der Schuh drücke. 

"Bayern steht sehr gut da"

Auch Bayern, wo ebenfalls am 8. Oktober Landtagswahlen sind, stehe sehr gut da und werde mit CSU und Freien Wählern gut und vernünftig regiert. Das Land zahle zehn Milliarden Euro in den Länderfinanzausgleich, was auch zeige, wie wirtschaftlich stark Bayern sei. Die politischen Rahmenbedingungen seien wichtig. Überall dort, wo SPD, Grüne und vielleicht auch Linke regierten, sei es überall messbar schlechter. Wer aus Protest die AfD wähle, dem müsse man klarmachen, dass er damit unser Land schädige. Die überwiegende Mehrzahl der AfD-Funktionäre sei indiskutabel, rechtsradikal und rassistisch.

Deutlich müsse gemacht werden, dass wir trotz aller Krisen immer noch einen ganz erheblichen Wohlstand in Deutschland hätten. Dies müsse klargemacht werden, nicht überheblich, aber dankbar. Es gebe keinen Grund, nach einem starken Mann zu rufen oder generell dieses Land infrage zu stellen. "All' dies haben wir mit dieser Demokratie erreicht", so der Innenminister. Dies sei alles nicht selbstverständlich, aber eine großartige Entwicklung. Und da müssten die Demokraten zusammen halten. (Bertram Lenz) +++

X