Landesweiter Protesttag am Mittwoch

Die meisten Apotheken bleiben heute geschlossen - Nur Notdienste

Mit Absperrband machen die Apotheken auf die Protest-Schließung am Mittwoch aufmerksam.
Fotos: O|N

14.06.2023 / REGION - Die meisten Apotheken in Hessen werden am Mittwoch geschlossen sein, da sich die Apotheker an einem bundesweiten Protesttag beteiligen, den die Apothekerverbände und Apothekerkammern im Schulterschluss unter dem Dach der ABDA (Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e.V.) initiieren. Die Arzneimittelversorgung wird heute nur über die Notdienstapotheken aufrechterhalten. Welche Apotheke am 14. Juni Notdienst hat, erfährt man per Aushang in den örtlichen Apotheken oder online unter www.aponet.de.

OSTHESSEN|NEWS
hat bereits im Vorfeld ausführlich über die Gründe berichtet, die die Apotheker dazu bewegen, am Mittwoch ihre Türen geschlossen zu halten. Nachfolgend eine Bestandsaufnahme aus unserem Verbreitungsgebiet.

"Im Endeffekt sind wir der Meinung, es geht nicht immer nur ums Geld, denn die Gesundheit ist das höchste Gut. Wir haben Bedenken um die Verorgungssicherheit der Patienten der Zukunft. Eine optimale Versorgung muss vor den Sparzwängen Vorrang haben", sagen Christian und Barbara Engel von der Biligrim- und Sonnenapotheke in Künzell.


"Ganz untypisch für Apotheken, vor allem, dass auch alle mitmachen. Aber es reicht. Die letzten zwei Jahre haben das Fass zum Überlaufen gebracht. Und das, was uns stört, ist ja im Prinzip das gleiche, was auch den Kunden stört", kommentiert Maximilian Traut von der Stadt- und Turmapotheke.

"Wir schließen alle unsere Apotheken am Mittwoch", sagt Matthias Holzapfel im Gespräch mit O|N. Er betreibt die "Apotheke am Bahnhof" und die "Kreuz-Apotheke" in Bad Hersfeld sowie die "Apotheke Holzapfel" in Ludwigsau-Friedlos. "Einige meiner Mitarbeiter fahren zu den großen Kundgebungen", so der Apotheker. "Ein einziger Protesttag ist nicht ausreichend, um die Problematik umfassend darzustellen. Mir fehlt hier eine klare Schwerpunktsetzung."

"Es ist 5 vor 12 für uns", sagt Apothekerin Saskia Hildwein von "Hildwein-Apotheken" in Bad Hersfeld. Im europäischen Durchschnitt würden 100.000 Menschen von 32 Apotheken versorgt, in Deutschland seien es nur 23. "Allein in 2022 wurden bundesweit 400 Apotheken geschlossen, in diesem Jahr sind es bereits 130", so Hildwein, die in Bad Hersfeld die Kurbad-, die City- und die Galerie-Apotheke betreibt. "Wir haben als Berufsgruppe einfach zu lange stillgehalten." 


"Antibiotika günstiger als Brötchen"

"Der Hessische Apothekerverband unterstützt uns in unserem Streik, ebenso die Landesapothekerkammer - weil jeder weiß, wie die Zeichen stehen. Uns wurde die Arzneimittelpauschale gekürzt, Rabattverträge schränken unsere Möglichkeiten extrem ein, verwirren gerade ältere Patienten und sorgen dafür, dass etliche Hersteller Medikamente nicht mehr herstellen können: Das ist bereits bei Fiebersäften für Kinder passiert, außerdem bei Antibiotika für Kinder. Die Kassen setzen Hersteller unter Druck, wie die Discounter. Es kann nicht sein, dass eine Hunderterpackung Betablocker 35 Cent kostet und Antibiotika günstiger sind als ein Brötchen beim Bäcker", erklärt Dr. Ansgar Wieschollek, Betreiber von inzwischen vier Engel-Apotheken in Fulda und Petersberg

Dass es im Vogelsbergkreis breitgefächerte Aufklärung gibt, um die Kunden zu informieren - davon zeugen beispielsweise die zahlreichen Infotafeln an der "Hohhaus-Apotheke" am Eisenbacher Tor 2 in Lauterbach, die von Christiane Pflug geführt wird, und die heute geschlossen hat. "Es scheint so, dass einige Menschen denken, dass unsere Arbeit nichts wert ist und eventuell auch von KI übernommen werden könnte. Wenn ich dann so auf einen normalen Arbeitstag sehe, wie oft wir Rücksprache halten müssen, weil auf dem Rezept was nicht stimmt, nicht lieferbar ist oder oder oder. Das macht kein börsennotierter Großbetrieb und auch kein Computer.

Und wie oft wir Dinge erklären, erläutern, Therapien unterstützen und manchmal auch von Behandlungen auf eigene Faust abraten – als kostenlose Dienstleistung. Dies bislang durch eine Art ,Kombimodell' mitfinanziert, nach zehn Jahren ohne Honoraranpassung, ohne Inflationsausgleich, aber mit gestiegenen Kosten an allen Ecken und Enden, ist das jedoch in eine Schieflage geraten. Für junge Leute, die Wert auf Work-Life-Balance legen, ist dieser Beruf inzwischen nicht mehr attraktiv – schon gar nicht in der Selbstständigkeit". 

Der Notdienstkreis von Schlüchtern, Steinau, Flieden, Kalbach und Neuhof nimmt ebenfalls am Protesttag teil. Rhea Amyotte Coester, Inhaberin der Coestersche Apotheke in Neuhof betont: "Die Kosten sind gestiegen, aber wir erhalten seit über zehn Jahren nicht mehr Geld von der Krankenkasse. Es muss dringend etwas passieren." (cdg/bl/mau/mmb/nb) +++
 


X