Zehn Jahre Amazon-Streik

Amazon-Mitarbeiter streiken für einen Tarifvertrag

Amazon-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zogen heute durch die Bad Hersfelder Innenstadt.
Fotos: Christopher Göbel

26.05.2023 / BAD HERSFELD - "Wir wollen Bad Hersfeld zeigen, dass wir da sind!", rief die stellvertretende Verdi-Hessen-Landesbezirksleiterin Angelika Kappe den zahlreichen streikenden Amazon-Mitarbeitern in der Schilde-Halle in Bad Hersfeld zu. Aus den Logistikzentren FRA1 und FRA 3 waren mehrere hundert Beschäftigte am Freitagmorgen in den Streik getreten.



Auch nach zehn Jahren mit regelmäßigen Streiks ist es bisher nicht gelungen, dass Amazon einen Tarifvertrag für die Mitarbeiter abgeschlossen hat. "Wir haben bisher viel erreicht, aber noch keinen Tarifvertrag erkämpft", so Verdi-Chef Frank Wernecke per Videobotschaft. Ein Tarifvertrag beträfe nicht nur mehr Gehalt, sondern regele unter anderem auch Urlaubs- und Krankheitszeiten sowie Überstunden. "Ihr in Bad Hersfeld habt Pionierarbeit geleistet. Dafür danke ich euch", so Wernecke an die Streikenden in Bad Hersfeld.

Unterstützung aus der Politik

"Ich bin hier, weil ich die Arbeit der Gewerkschaft unterstützen möchte. Gute Arbeitsplätze sind wichtig und sollten tarifvertraglich abgesichert sein", so die SPD-Landtagsabgeordnete Tanja Hartdegen, die am Kundgebung und Streik teilnahm, gegenüber OSTHESSEN|NEWS. Auch der Linken-Landtagsabgeordnete Jan Schalauske war zugegen.

"Genau vor zehn Jahren begann der Arbeitskampf am Standort Bad Hersfeld gemeinsam mit Kollegen aus Leipzig. Die Streikbewegung hat seitdem viel bewirkt, denn verbesserte Rahmenbedingungen im Gesundheitsschutz und jährliche Entgeltsteigerungen gab es zuvor nicht", so Verdi-Landesbezirksfachbereichsleiter Marcel Schäuble.

Auch Stefanie Nutzenberger vom Verdi-Bundesvorstand war in die Schilde-Halle gekommen. "Konzerne wie Amazon verschaffen sich Wettbewerbsvorteile auf dem Rücken der Beschäftigten und beschleunigen dadurch den Verdrängungswettbewerb im Handel massiv. Verdi fordert vom US-Konzern Amazon seit zehn Jahren die Anerkennung der Flächentarifverträge des Einzel- und Versandhandels. Denn nur Tarifverträge schützen Beschäftigte verbindlich vor Unternehmenswillkür, sie sind ein Zeichen von Anerkennung der harten Arbeit, die Beschäftigte täglich leisten. Es geht um Würde und Respekt.", so Nutzenberger.

Nach drei kämpferischen Liedern mit Gitarre und Akkordeon, die die laut Verdi unhaltbaren Arbeitsbedingungen bei Amazon zum Thema hatten, zog der Demozug durch die Fußgängerzone über den Linggplatz und weiter durch die Stadt wieder zurück zur Schilde-Halle. Mit Pfeifen machten die "Amazonier", wie sie vom Unternehmen gerne bezeichnet werden, ihren Forderungen nach einem Tarifvertrag lautstark Luft. Durch den zeitgleich stattfindenden Wochenmarkt war die Aufmerksamkeit in der Stadt besonders hoch. Amazon beschäftigt weltweit derzeit rund 1,6 Millionen Beschäftigte. In Deutschland sind es etwa 20.000.

Statment des Arbeitgebers

Nach der Veröffentlichung dieses Artikels auf O|N meldete sich Amazon zu Wort: "Amazon arbeitet weiter daran, jeden Tag besser zu werden für Kunden und Mitarbeitende und wir haben in den letzten zehn Jahren in vielen Bereichen beträchtliche Fortschritte erzielt. Wir bieten eines der weltweit fortschrittlichsten Arbeitsumfelder mit wettbewerbsfähigen Löhnen, Prozessen und Systemen, die das Wohlbefinden und die Sicherheit aller Mitarbeiter  gewährleisten. Amazon zeigt jeden Tag, dass es möglich ist, auch ohne Tarifvertrag ein guter Arbeitgeber zu sein. Daran arbeiten wir jeden Tag gemeinsam mit Betriebsräten und Mitarbeitern. Wir bieten gute Bezahlung, Sozialleistungen und Entwicklungsmöglichkeiten - und das alles in einem attraktiven und sicheren Arbeitsumfeld", so Norbert Brandau, Amazon-Regionaldirektor und verantwortlich für mehrere Logistikzentren.

Laut Amazon liege der "umgerechtete Einstiegslohn" für Beschäftigte in der Logistik "bei 13 Euro pro Stunde aufwärts - inklusive Bonuszahlungen". "Nach zwei Jahren Betriebszugehörigkeit liegt der Lohn im Durchschnitt bei über 35.000 Euro brutto pro Jahr", so Brandau. Amazon biete seinen Mitarbeitern weitere Leistungen wie beispielsweise das Deuschlandticket, betriebliche Altersvorsorge oder Überstunden-Zuschläge. (Christopher Göbel) +++

X