Für strafrechtliche Verbesserungen
"Wer Einsatzkräfte angreift, muss die Konsequenz des Rechtsstaats spüren"
Fotos: O|N-Archiv
23.05.2023 / WIESBADEN -
Hessens Innenminister Peter Beuth und Justizminister Roman Poseck setzen sich für strafrechtliche Verbesserungen zum Schutz von Einsatzkräften ein. Innenminister Peter Beuth wird eine entsprechende Initiative in die Innenministerkonferenz einbringen, die sich für eine Verschärfung des Strafrahmens bei Angriffen aus einer Gruppe heraus sowie für einen verbesserten Identitätsschutz bei Videoaufnahmen ohne Einverständnis stark macht. Auch die anstehende Justizministerkonferenz wird sich mit einem Antrag aus Rheinland-Pfalz befassen, der dieselbe Stoßrichtung verfolgt. Sowohl auf der bevorstehenden Justizministerkonferenz (25. bis 26. Mai 2023 in Berlin) als auch auf der Innenministerkonferenz (14. bis 16. Juni in Berlin) werden sich die beiden hessischen Minister hierfür aussprechen.
Videoaufzeichnungen im Netz: Identitätsschutz von Helferinnen und Helfern im Fokus
Immer häufiger sehen sich Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten der Situation ausgesetzt, dass ihr im nichtdienstlichen Kontext gesprochenes Wort per Videoaufnahme aufgezeichnet und ohne ihr Einverständnis im Internet veröffentlicht wird. Damit einhergehend können diese Vervielfältigungen zur Veröffentlichung des Familiennamens und Wohnortes und damit zu Bedrohungen führen. Vor diesem Hintergrund unterstützen Hessens Justiz- und Innenminister einen Vorschlag aus Rheinland-Pfalz, die in Frage kommenden Straftatbestände (bspw. die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gemäß § 201 Strafgesetzbuch) zu erweitern, wenn es sich bei der Videoaufzeichnung um ein nicht öffentlich gesprochenes Wort handelt. Solche Eingriffe werden bis dato nur auf Antrag der jeweils benachteiligten Person verfolgt, die damit ihre persönlichen Adressdaten dem Täter übermitteln muss. In diesem Zusammenhang und aus Fürsorgepflicht gegenüber der Einsatzkraft soll künftig dem Dienstvorgesetzten ein Strafantragsrecht eingeräumt werden. So könnte der persönliche Schutz von Polizei, Feuerwehr und Rettungskräften und deren Familien deutlich verbessert werden.Hessische Initiative zum Schutz von Einsatzkräften hatte bereits 2017 Erfolg
Seit vielen Jahren setzt sich die Hessische Landesregierung für einen verbesserten Schutz von Einsatzkräften in Deutschland ein. Hessen hatte bereits 2015 über eine Initiative im Bundesrat gesetzliche Regelungen angestoßen. Im April 2017 schließlich wurde die Initiative bundesweit im Strafgesetzbuch umgesetzt. Das "Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften" droht bei tätlichen Angriffen auf Polizistinnen und Polizisten, ermittelnde Staatsanwältinnen und -anwälten, andere Sicherheits- oder Rettungskräften seither mit bis zu fünf Jahren Haft, die Mindeststrafe beträgt drei Monate.Angriffe auf Einsatzkräfte: Leichter Rückgang, aber weiterhin auf hohem Niveau
Die Mehrzahl der für den Polizeialltag typischen Widerstandshandlungen entstehen aus niedrigschwelligen Kontrollsituationen von alkoholisierten Personen oder auch Personengruppen im städtischen Bereich. Das Verhindern von Konflikten und der professionelle Umgang bei sich aufschaukelnden Prozessen ist eine große Herausforderung im alltäglichen Dienst der Beamtinnen und Beamten. Sie werden daher bereits im Rahmen des Polizeistudiums und weiteren Fortbildungen professionell geschult, möglichen Gewaltsituationen deeskalierend entgegenzutreten.
Bereits 1.000 Bodycams und verbesserte Schutzausrüstung
Im Jahr 2016 wurden alle hessischen Polizeipräsidien mit der Bodycam ausgestattet, um die Einsatzkräfte im Dienst noch besser vor Übergriffen zu schützen. Alleine im Jahr 2020 hat das Land Hessen genau 400 und 2021 mehr als 300 weitere Bodycams beschafft und an die Polizeipräsidien verteilt, sodass sich aktuell rund 1.000 Bodycams bei der hessischen Polizei im Einsatz befinden. Über diese technische Innovation konnten bereits mehrere hundert Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen Widerstandshandlungen gegen Vollstreckungsbeamte, Verstoßes gegen das BtMG und das Waffengesetz, wegen Körperverletzung, Diebstahls, Beleidigung, Sachbeschädigung, Trunkenheit im Straßenverkehr, Landfriedensbruchs und Brandstiftung rechtssicher eingeleitet werden.Vorrangiges Ziel des Einsatzes ist es, die im Rahmen von brennpunktorientierten Maßnahmen eingesetzten Polizeibeamtinnen und -beamte – vorwiegend des Wach- und Wechseldienstes, vor gewalttätigen Übergriffen zu schützen und in diesem Zusammenhang Straftaten rechtssicher aufzeichnen zu können. Gleichzeitig tragen sie erfahrungsgemäß zur Deeskalation von Kontrollmaßnahmen bei.
Schutzschleifenkampagne
Bereits 2015 hat das hessische Innenministerium die Aktion "Schutzschleife" ins Leben gerufen, die seitdem um mehr Rückendeckung für Polizistinnen und Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungskräfte wirbt. Trägerinnen und Träger der Schutzschleife solidarisieren sich öffentlich mit den Einsatzkräften, demonstrieren symbolisch ihre Verbundenheit, ihren Dank und ihre Wertschätzung. Auch andere Bundesländer wie das Saarland, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben die Schutzschleife übernommen. In den Farben Blau, Rot und Weiß gehalten, steht sie für die Polizei-, Feuerwehr- und Rettungskräfte. Bisher wurden rund 150.000 Schutzschleifen verteilt.Einführung eines landesweiten Meldesystems
Seit Februar 2019 gibt es in Hessen ein landesweites Meldesystem, welches unter Mitwirkung von nichtpolizeilichen Einsatzkräften auf freiwilliger Basis auch Bedrohungen und Attacken erfassen kann, die nicht zur Strafanzeige gebracht wurden. Je mehr die Sicherheitsbehörden über die verschiedenen Formen von Gewalt gegenüber Einsatzkräften in Erfahrung bringen können, desto besser können passgenaue Präventionsangebote für die Helferinnen und Helfer entwickelt werden. (pm) +++