Zur Erinnerung an jüdische Mitbürger

16 Stolpersteine zum Gedenken an Nazi-Opfer in Schmalnau verlegt

16 Stolpersteine wurden in Schmalnau zum Gedenken an ehemalige jüdische Mitbürger verlegt, die dem Nazi-Terror zum Opfer fielen
Fotos: G.O.Pfeffer

18.05.2023 / EBERSBURG (RHÖN) - Zum Kunstprojekt Stolpersteine gehört die Recherche, die der Verlegung jeden einzelnen Steines vorausgeht. Wer einen Stolperstein verlegen möchte, muss selbst nachforschen: Wer wohnte in diesem Haus? Wohin wurden diese Menschen verschleppt? Wie und wo wurden sie ermordet? Gibt es noch Angehörige?



Durch diese Recherche findet eine Auseinandersetzung mit der NS-Zeit statt, wie sie intensiver kaum vorstellbar ist. Es ist eine Form des Gedenkens, die unmittelbar und sehr persönlich ist. Der "verschwundene Nachbar", die "verschwundene Nachbarin", ihr Leben und ihr Tod berühren den Nachforschenden unmittelbar. Wie Ortsvorsteher Daniel Kreis in seiner Ansprache betonte.

"Weil er Jude, weil sie Jüdin war"


Passanten, die die Inschrift auf einem Stolperstein lesen möchten, müssen sich herunterbeugen und verbeugen sich damit vor dem Menschen, der ehemals hier wohnte und verfolgt, entrechtet und in den Tod getrieben wurde, aus einem einzigen Grund: weil er Jude, weil sie Jüdin war.

Dank der umfangreichen Recherchen durch Brigitte Füller-Jerwin und dem Team des Heimatverein Schmalnau konnten nun für 16 deportierte und ermordete jüdische Mitbürger Stolpersteine an deren ehemaligen Lebensmittelpunkten verlegt werden.

24 Angehörige vor Ort


Was diese Verlegung zu einem ganz besonderen und emotionalen Tag machte, war die Anwesenheit von 24 Angehörigen. Über die lange Zeit der Recherche sind die Kontakte entstanden, so Brigitte Füller-Jerwin. Wir konnten Gäste aus Israel, USA, England und Mexiko-City begrüßen, die hier nicht nur den Ort Ihrer Vorfahren besuchten, sondern auch eine Familienzusammenführung erlebten. Ein Großteil der Angehörigen leben zwar in den USA, kannten sich aber bislang nicht und sind zur Verlegung erstmals zusammengekommen.

Besonders zu erwähnen ist auch, dass Elsa Epstein, geb. Heilbronn, mit 97 Jahren noch am See Genezareth lebt und die Verlegung der Steine für Ihre Eltern per Video durch die anwesende Tochter miterleben konnte. Dies alles war hochemotional und sehr bewegend, wie Renè Moritz als Vorstandssprecher des Heimatverein bemerkte.

Beim Rundgang zu den Verlegorten wurden die Informationen zu den einzelnen Personen verlesen. Anschließend gab es einen offiziellen Festakt im voll besetzten Bürgerhaus. Dieser wurde vom kleinen Chor Schmalnau sowie Ruth Sternberg musikalisch umrahmt.

Bürgermeister Benjamin Reinhart (parteilos) nannte das Ereignis einen historischen Tag für Ebersburg und die Einwohner von Schmalnau und dankte allen Beteiligten für ihr Engagement. David Freedberg bedankte sich stellvertretend für alle anwesenden Nachkommen. "Es ist ein Privileg für uns hier in Schmalnau zu sein. Die Steine halten die Erinnerung am Leben." betonte er. Er wünsche sich eine Ähnliche Erinnerungskultur in den USA, die auch Themen wie Sklaverei und Vertreibung der Native-Americans aufarbeiten müssen. Er ist glücklich, diese Reise unternommen zu haben und dankte allen aus tiefstem Herzen für die geleistete Arbeit und die wundervolle Gastfreundschaft. "We hope we can stay in touch. We are all Schmalnauer now.”

Die Stolpersteine sind nicht das Finale der Recherchearbeit, sondern sollen vielmehr ein Beginn für neue Kontakte mit den Angehörigen sein und die Erinnerung wachhalten. Der Heimatverein Schmalnau dankt allen Spendern und Helfern und lädt alle Interessierten ein, die Stolpersteine einmal zu besuchen und innezuhalten. Die Verlegorte sind in der Hauptstraße, Raiffeisenstraße, Rathausweg und Schulstraße zu finden. (pm) +++

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