"Heute muss sich jeder strecken"

Gichtbrunnen und junge Performer: Neues Markenleitbild für Bad Salzschlirf

Bürgermeister Matthias Kübel (links) mit Nicholas Bredel stellen das neue Markenleitbild vor.
Fotos: Marius Auth

17.05.2023 / BAD SALZSCHLIRF - Seitdem die Therme in Bad Salzschlirf geschlossen hat, ist der Wettbewerb um die Kurklientel noch schwerer geworden. Um neue Zielgruppen zu erschließen und Identitätsmerkmale besser herauszuarbeiten, wurde jetzt ein Markenleitbild entwickelt, welches das traditionelle Heilbad besser inszenieren soll.



Natrium, Magnesium, Kalzium und andere Mineralstoffe verleihen dem in Flaschen abgefüllten Wasser in der Jugendstil-Wandelhalle einen salzigen Geschmack und den Ruf, Magen-Darmerkrankungen sowie Nieren- und Leberleiden zu kurieren. Der Gichtbrunnen in Bad Salzschlirf ist Ursprung des Heilbades und Bäderbetriebes in der kleinen osthessischen Gemeinde, seit 1838 wurde eine vielfältige Infrastruktur von Kliniken, Hotels und Restaurants darum gebaut.



Wenke Selke ist seit 2021 Kurdirektorin und hat die Ärmel hochgekrempelt, um das Traditions-Heilbad ins Bewusstsein neuer Zielgruppen zu bringen, auch auf Social Media wirbt Bad Salzschlirf inzwischen um zahlungsfreudige Wellness-Gäste: "Wir wollen Geschäftsreisende aus einem Umkreis von 150 Kilometern ansprechen, die gern ein langes Wochenende in der Natur verbringen, außerdem Selbstzahler besser erreichen. Seitdem die Therme zu ist, haben wir kaum noch Möglichkeiten, uns im Wettbewerb abzuheben. Auch Fuldaer haben uns kaum auf dem Schirm. 'Da raus fahre ich nicht' ist bei vielen die Einstellung - dabei sind wir nur 15 Minuten entfernt von Fulda", erklärt Selke.

"Wer sind wir und was können wir wem bieten?"

Das Förderprogramm "Dorfmoderation" des Landes Hessen soll Leitbilddiskussionen zur Zukunftsfähigkeit von Kommunen unterstützen und war Bürgermeister Matthias Kübel auf der Suche nach Fördermöglichkeiten ins Auge gefallen. Nach Antragstellung wurde klar, dass die Identitätsfindung günstig wird für Bad Salzschlirf: Von den insgesamt 41.000 Euro Kosten übernahm das Land Hessen bereitwillig 90 Prozent. Seit Oktober fanden dann unter reger Beteiligung von Klinikbetreibern, Hoteliers, Restaurantbetreibern und Mandatsträgern Workshops statt, in denen die Frage: "Wer sind wir und was können wir wem bieten?" in all ihren Facetten beleuchtet wurde.



Mithilfe der Ideenagentur "Schöne Aussicht" aus Fulda wurden Markenkern, Zielgruppen, Corporate Design und andere Branchenstandards definiert und optimiert, damit die Ansprache vor allem der Touristen besser funktionieren möge: "Eine Marke muss echt sein und glaubhaft. Sind wir das? Wollen wir das sein?", erklärt Selke die lebhaften Diskussionen im Vorfeld. "Wir dürfen stolz sein auf das, was wir sind. Unser Ort wird an vielen Stellen schlechtgeredet - aber die Übernachtungsstatistiken geben uns recht: Im ersten Quartal 2022 hatten wir 60 Prozent mehr Übernachtungen, von 2021 auf 2022 40 Prozent mehr Übernachtungen", so Kübel.



Das neue Logo soll die beiden Themen Architektur und Wasser grafisch reduziert kommunizieren. "Wir haben schon geschaut, was andere Bäder und Kurorte so machen - aber am Ende muss jeder sein eigenes Rennen laufen", erklärt Bredel. "Wir sind sehr viel günstiger als Frankfurt am Main und Konkurrenten im Spessart oder Rheingau, das ist ein großer Vorteil", freut sich Selke. Der interkommunale und überregionale Wettbewerb sei hart: "Man muss sich schon strecken heute - auch Städtchen wie Schlitz putzen sich heraus, etwa mit dem Hahnekiez - jeder versucht, die Aufmerksamkeit der Touristen für sich zu gewinnen", so Kübel. (mau) +++

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