Wilhelm Hartmann wird angefeindet

Trotz politischer Schlammschlacht - "Meine Hilfsbereitschaft ist nicht gebrochen!"

Wilhelm Hartmann vor seiner Gärtnerei
O|N-Archivbild

13.05.2023 / FULDA - Zwei Jahre nach der Flutkatastrophe im Ahrtal ist dort zwar äußerlich viel passiert, aber ein offenbar politisch motivierter Streit lässt die Wogen der Empörung immer höher schlagen: mit den freiwilligen Helfern, die dort  - ohne lange zu überlegen  - angepackt und jede Menge Gutes bewegt haben, fechten erbitterte Gegner groteske mediale Schlachten und verfolgen einander mit Hass, Häme und Rufmord. Mitten drin in diesem politisch aufgeladenen Debakel steht Gärtner Wilhelm Hartmann, der sich bis jetzt nicht wirklich erklären kann, womit er solch massiven Gegenwind provoziert hat.  

Nicht erst seit der Jahrhundertflut im Ahrtal ist der Inhaber der Gärtnerei Hartmann weit über die Grenzen der Region dafür bekannt, dass er schnell vor Ort anpackt, wenn Menschen durch Naturkatastrophen in Not geraten. So war er in diesem Februar auch im Erdbebengebiet in der Türkei. Schon als Fluthelfer an Oder und Elbe hatte er freiwillige Einsätze organisiert. Heute sagt er, er habe schon drei Tage vorher geahnt, was sich im Juli 2021 da am Himmel zusammenbraue. "Auch der Deutsche Wetterdienst hatte bereits vor dieser speziellen Wetterlage gewarnt, die mit hohen Niederschlagsmengen einhergeht. Aber das hat im Ahrtal offenbar bei den Behörden niemanden interessiert." Jedenfalls gab es für den 49-Jährigen am nächsten Morgen kein Halten mehr. Er bricht mit seinem Freund, dem Landwirt Markus Wipperfürth, ins Katastrophengebiet auf, um mit ihren Schleppern und schwerem Gerät beim Aufräumen zu helfen. "Nur zum Hintergrund: ich kannte bis dahin niemanden im Ahrtal", sagt Hartmann. Das sollte sich allerdings bald ändern. 

Tausende folgen ihnen auf Facebook

Dass sie mit zahllosen anderen Freiwilligen ab diesem Tag in unermüdlichem Einsatz wirklich Großes geleistet haben, steht außer Frage. Dabei sorgten sie mit täglichen Live-Videos auf Facebook für eine riesige mediale Präsenz. Viele folgten daraufhin ihrem Beispiel und halfen ebenfalls vor Ort mit, die Folgen der Jahrhundertflut in den Griff zu bekommen. "Markus und ich sind einfach Macher. Wir fragen nicht lang, wir packen an", beschreibt Hartmann ihre Mentalität. Damit sind sie den hauptamtlichen Stellen voraus, fragen nicht lange, sondern koordinieren selbstständig die freiwilligen Helfer. Die Behörden vor Ort sind selbst in ihrer Infrastruktur betroffen, das ungeheure Ausmaß der Schäden wird erst langsam deutlich, nichts funktioniert mehr. Es fehlt vor allem an Personal, weil die Mitarbeiter selber zuhause aufräumen müssen. So entsteht der wohl auch zutreffende Eindruck, dass die Institutionen, völlig überfordert, vielfach untätig bleiben, während die pragmatischen "Macher" alles im Griff haben. Das Versagen der Landesbehörden wird heftig kritisiert und sorgt für anhaltende Verstimmung. Das Gezerre zwischen "professionellen" und freiwilligen Helfern eskaliert. Nach sieben Monaten toleriertem Betrieb verbietet der Kreis Bad Neuenahr-Ahrweiler sogar die Fortführung der Helfer-Unterkunft "Wilhelmshafen" und sogar die Sachspendenannahme im "Baustoffzelt Kaiser 2.0" wird untersagt. Wilhelm Hartmann war am Boden und sagt heute dazu: "Noch nie zuvor habe ich in meinem Leben so viel weinen müssen."

Er will eine öffentliche Rehabilitierung


Im Mai werden gegen Hartmann Vorwürfe laut, er habe seine Unkosten nicht seriös abgerechnet, ihm werden Rückzahlungen für eigene Auslagen aus Landesmitteln verweigert, fast ist sein Einsatz komplett am Ende. Die - nicht bewiesenen - Vorwürfe seiner Gegner: er sei selbstverliebt, unseriös, habe sich mit unlauteren Mitteln an Spendengeldern und Hilfsfonds bereichert. Er selbst sieht sich einer Schmutzkampagne ausgesetzt, deren Urheber er auf Landesebene verortet. "Wir sind denen unbewusst auf die Füße getreten, dann haben sie uns fortlaufend attackiert. Wir wurden gar als Besatzer beschimpft", sagt er verbittert und versucht seinen Ruf gegen Hass und Hetze zu verteidigen.  Das will er auch auf gerichtlichem Wege erreichen. "Ich möchte eine vollständige Rehabilitierung von öffentlicher Stelle", sagt er.

Es ist eine bittere Erfahrung für ihn, von der er sich aber nicht von seinem "Helfersyndrom" abbringen lassen will. Auf unsere Nachfrage, wann er denn zum ersten Mal im Leben als Helfer aktiv war, erinnert er sich an ein Schlüsselerlebnis: "Ich war vielleicht acht. Es hatte heftig geschneit und hörte gar nicht mehr auf. Da habe ich an meinen Schlitten vorn ein Schild angebaut und damit die Straßen in der Umgebung geräumt. Die Nachbarn waren begeistert und haben mir Schokolade geschenkt." Es enttäuscht ihn tief, dass sein Motiv diskreditiert wird. Es gehe ihm um nichts anderes, als uneigennützig zu helfen. "Aber die Menschen sind misstrauisch geworden, niemand glaubt mehr, dass man einfach ohne Hintergedanken helfen will", sagt Wilhelm Hartmann. (Carla Ihle-Becker)+++

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