Frau spielt Mann

Charlotte Schwab, der König Lear bei den Bad Hersfelder Festspielen

Charlotte Schwab steht in diesem Sommer als "König Lear" auf der Bad Hersfelder Festspielbühne.
Fotos: Bad Hersfelder Festspiele / Christopher Göbel

21.03.2023 / BAD HERSFELD - Charlotte Schwab ist ein Begriff in der deutschen Theater- und TV-Szene. Die Schauspielerin hat in unzähligen Film- und Fernsehproduktionen mitgespielt und stand auf vielen Bühnen. Bereits mit 17 Jahren hatte die gebürtige Baselerin den Wunsch, Schauspielerin zu werden. In diesem Jahr spielt sie die Titelrolle in "König Lear" bei den Bad Hersfelder Festspielen in der Regie von Tina Lanik.



"Ich habe schon bei einigen Produktionen mit Tina zusammengearbeitet", erzählt Charlotte Schwab im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS. Die Regisseurin habe sie gefragt, ob sie den König Lear spielen wolle. "Ich habe Tina Lanik gefragt, ob ich den Lear spielen kann", so Schwab. "Männer würden diese Frage nicht stellen, sondern jubeln", antwortete Lanik. "Ich freue mich darauf, diese Rolle zu verkörpern". Es ist nicht die erste Männerrolle in ihrem langen Theaterleben.

Zur Vorbereitung auf das Shakespeare-Stück liest sie natürlich das Textbuch, lernt ihre Rolle und hat bereits beim Lesen erste Ideen, wie sie die Szenen spielen könnte. "Die richtige Arbeit kommt aber bei den Proben", so Schwab. Ab Mitte Mai wird sie mit dem Ensemble und Lanik ganz intensiv an dem Stück arbeiten. "Ich möchte die Zuschauer als Mann überzeugen", sagt sie. In der Figur des Lear würden sich zahlreiche Emotionen vereinen - zunächst Härte, Macht und Kritikunfähigkeit, später dann Trauer, Liebe und Hass - aber auch Mut. Diese vielschichtigen Attribute will Schwab in Bad Hersfeld verkörpern. Wie sie die Rolle auf der Bühne in der Bad Hersfelder Stiftsruine spielen wird, entwickele sich bei der Arbeit mit der Regisseurin und dem Ensemble. "Die Probenarbeit ist das Spannende an meinem Beruf."

Beeindruckend, aber auch erschreckend

"Ich habe bisher nur einmal Freilichttheater gespielt", erzählt Charlotte Schwab. Doch sie sei von Intendant Joern Hinkel bereits darauf vorbereitet worden, dass es in Bad Hersfeld auch mal regnen oder stürmen kann. In der Stiftsruine war Schwab am Montag zum allerersten Mal. "Wow!" - so beschreibt sie die Wirkung der außergewöhnlichen Spielstätte. Die Ruine sei "wahnsinnig beeindruckend und überwältigend, aber auch erschreckend". "Hier kann man nur großes Theater spielen. Ich meine aber nicht pathetisches Theater", so die Schauspielerin. "Wenn man länger drin ist, bekommt man ein starkes Gefühl." Sie möchte den Raum im Sommer mit ihrer Kunst füllen.

Über ihre Rolle sagt Schwab: "Ich möchte als einen Mann nicht so spielen, wie Frauen oft von Männern verkörpert werden." Worte und Situationen bei "König Lear" seien männlich geprägt. "Und ich spiele diese Rolle." Gegen Ende der Tragödie würden die Grenzen zwischen weiblich und männlich bei der Figur Lear verwischen. "Es ist dann ein Wesen, das wahnsinnig ist. Mehr noch: "Durch den Verfremdungseffekt und dass eine Frau den Lear spielt, wird das Stück klarer", so die Schauspielerin.

Sie sieht diese Vermischung der Geschlechter in der heutigen Zeit, wo die Grenzen zwischen Weiblich- und Männlichkeit oft nicht mehr ganz klar sind, als wichtig an. "Heute vermischt sich viel typisch Geschlechts-spezifisches. Es zählt der Mensch. Ich finde es toll, dass man heute offener leben kann." Und sie zitiert Hamlet: "Das Theater muss ein Spiegel der Gesellschaft sein." 

"Ein Theater-Ensemble ist wie eine Familie"

Noch ist nicht bekannt, mit welchen Kolleginnen und Kollegen sie zusammenarbeiten wird. "Ich komme meist mit den Kollegen gut aus. Auch wenn es in meinem Beruf anstrengend ist, sich immer wieder auf neue Leute einzustellen." Das sei beim Film noch extremer als beim Theater. "Beim Theaterspielen öffnet man sich wesentlich mehr. Ein Ensemble ist so etwas wie eine Familie", so Schwab. 

Den "König Lear" hält Charlotte Schwab auch für junge Menschen für interessant. "Es geht um einen Generationenkonflikt. Da können sich viele junge Leute sicher wiedererkennen." Sie ist gespannt, wie der "König Lear" in Bad Hersfeld inszeniert werden wird. Und sie weiß: "Ein Theaterstück entwickelt sich von Mal zu Mal." Konkurrenzdenken hat sie nicht, sagt sie. Dass Volker Lechtenbrink und Michael Degen bereits in derselben Rolle auf derselben Bühne gestanden haben, macht ihr keine Angst. "Jeder Schauspieler gibt immer das Beste", ist sie überzeugt. Sie möchte sich nicht mit anderen vergleichen.

Schwab hat schon Ideen, wie sie den Lear spielen möchte. "Tina Lanik lässt uns da auch viel Platz für eigene Interpretationen und Ideen", erzählt sie. Und so darf das Bad Hersfelder Festspielpublikum sehr gespannt sein, wie Charlotte Schwab ihre Männerrolle auf der Bühne darstellen wird. Premiere ist am 30. Juni und Tickets gibt es unter www.bad-hersfelder-festspiele.de. (Christopher Göbel) +++

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