"Wohlfühlmorgen" der Stadtkirche

Eine tolle Idee, die sich erst noch etablieren muss

Das Team des "Wohlfühlmorgens" am Samstag im Martin-Luther-Haus in Bad Hersfeld.
Fotos: Christopher Göbel

12.03.2023 / BAD HERSFELD - In Zeiten stetig steigender Lebenshaltungskosten gibt es manches, was sich Menschen, die nicht viel Geld zur Verfügung haben, einfach nicht leisten können. Und weil es eine Aufgabe der Kirche ist, bedürftigen Menschen zu helfen, hatte Pfarrer Frank-Nico Jaeger mit seinen Kolleginnen Dr. Ann-Cathrin Fiß und Silke Kohlwes, alle drei von der Stadt- und Johanneskirchengemeinde in Bad Hersfeld, zu einem "Wohlfühlmorgen" eingeladen.


Im Martin-Luther-Haus an der Stadtkirche war am Samstagmorgen vom 14-köpfigen Team alles vorbereitet, um Menschen, die nicht viel haben, ein bisschen Luxus zu gönnen. Ob Maniküre von Corinna Barthel, Haareschneiden, medizinische Untersuchungen von Andreas Alles, tierärztliche Diagnosen mit Antje Fey-Spengler oder einfach ein paar Gespräche mit dem Pfarrerteam - alle Mitwirkenden hatten ihre Dienstleistungen am Samstagmorgen kostenlos zur Verfügung gestellt.

Im Saal des Lutherhauses waren die Tische für Kaffee oder warme Suppe gedeckt, die anderen Angebote waren in verschiedenen Räumen zu finden.  Die Idee war auch, den Menschen einfach etwas Gutes zu tun. Oder einfach mal mit anderen Menschen zu reden, Hilfe anzunehmen und auch zu wissen, an welche Seelsorger man sich in persönlichen Krisen wenden kann.

"Es kamen leider nur sehr wenige Menschen", bedauerte Jaeger nach den geplanten vier Stunden. Vor allem Obdachlosen, Alleinerziehenden oder Senioren mit geringer Rente hatte das Angebot gelten sollen. Sogar Jaegers Schwester war als Diplom-Sozialpädagogin dabei, um vielleicht das ein oder andere Beratungsgespräch zu führen.

Zwischenruf von Christopher Göbel

Die Idee ist toll, keine Frage. Dass sich in Zeiten, in denen das Geld immer weniger wird, die Kirche und Menschen aus Bad Hersfeld engagieren, um Ärmeren etwas Gutes zu tun, ist ehrenwert. Umso bedauerlicher ist es, dass das Angebot - zumindest beim ersten Mal in der Stadt - so wenig Anklang gefunden hat.

Wahrscheinlich steht nun erst einmal Ursachenforschung auf dem Programm. Hat man die Menschen, die es vielleicht betroffen hätte, nicht erreicht? Oder haben sich einige vielleicht nicht getraut, sich als arm oder bedürftig zu outen? Wie kann man eigentlich bei Menschen ohne festes Zuhause werben?

Ich denke, die Hemmschwelle, sich selbst als "arm" zu bezeichnen und das bei einem mehr oder wenigen öffentlichen Termin auch sozusagen zuzugeben, ist hoch. Allerdings ist mit steigender Not auch die Schwelle, beispielsweise einen Tafel-Ausweis zu beantragen, niedriger geworden, wie die gestiegenen Zahlen der Tafel-Kunden landauf und landab zeigen. 

Aber es ist doch noch etwas anderes, zu fremden Menschen zu gehen, um sich kostenlos eine Maniküre oder einen Haarschnitt machen zu lassen oder ein Wehwehchen bei Hund und Katze ohne eigene finanzielle Beteiligung in Anspruch zu nehmen. Von eigenen medizinischen Erscheinungen ganz abgesehen. Ich weiß nicht, ob ich es tun würde, wenn ich in dieser Situation wäre. 

Ich hoffe für alle Beteiligten, dass sie die Flinte nicht ins Korn werfen. Alles muss sich erst einmal herumsprechen, ehe es sich etablieren kann. Natürlich steht auch ein zeitlicher und finanzieller Aufwand hinter dieser Idee. Und doch kann es niemals falsch sein, seinen Mitmenschen, denen es weniger gut geht, etwas Gutes zu tun. Das ist Nächstenliebe. Und ich drücke den Initiatoren die Daumen, dass ein Wohlfühlmorgen beim nächsten Mal besser angenommen wird. (Christopher Göbel) +++

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