Kommentar von Bertram Lenz

Das gibt es nicht alle Tage: Azubi fordert (Bürger)-Meister heraus

Da strahlten sie (noch) gemeinsam in die Kamera: Bürgermeister Dieter Schäfer (rechts) und Lukas Becker.
Foto: Lenz

06.03.2023 / LAUTERTAL - "Lukas Becker: Ein Vorzeige-Azubi, auf den die Gemeinde stolz ist" - so lautete Mitte Dezember die Überschrift eines O|N-Artikels. Hintergrund: Der 25-Jährige, gebürtig aus dem Ortsteil Ehringshausen der Vogelsberg-Gemeinde Gemünden (Felda), hatte für Lautertal den Bedarfs- und Entwicklungsplan der Feuerwehr sowie den Aktionsplan/Klimaschutzkonzept erstellt. Quasi als "berufliches Hobby", denn Becker ist - noch bis Juni  - Azubi in der Gemeindeverwaltung von Lautertal. Nun geht der seit Langem in der SPD und bei der Feuerwehr Engagierte einen höchst ungewöhnlichen Schritt und bewirbt sich als Bürgermeister - und damit in Konkurrenz zu seinem aktuellen Lehrherrn und Vorgesetzten Dieter Schäfer.

Beckers Ambitionen, die am Wochenende bekannt geworden sind, entbehren nicht einer gewissen Ironie. Denn der erfahrene kommunalpolitische Fahrensmann Schäfer selbst hatte das Potential des 25-Jährigen erkannt und diesen gemäß seinem Motto "Fordern und Fördern" mit den genannten Aufgaben betraut. Und dem jungen Nachwuchspolitiker die Zusicherung gegeben, nach der Ausbildung ins Angestelltenverhältnis bei der Gemeinde Lautertal zu wechseln.

Dass der amtierende Bürgermeister, der am 8. Oktober eine zweite Amtszeit anstrebt, jetzt über die Absichten seines Azubis nicht amüsiert ist, dürfte klar sein. Wahrscheinlich spielt da auch eine gehörige Portion menschlicher Enttäuschung mit, obgleich es gutes demokratisches Recht ist, sich bei einer Wahl zu bewerben. 

Interessant dürfte allemal sein, wie sich die Zusammenarbeit von Schäfer und Becker und auch das persönliche Miteinander in den kommenden Wochen gestalten. Denn der 25-Jährige hat eine ganze Liste erarbeitet und öffentlich vorgestellt, was er als Bürgermeister vorhat - und damit verklausuliert aufgezeigt, woran es dem amtierenden Verwaltungschef mangelt. Zugleich sollte man Becker eines nicht absprechen: Ehrgeiz.

Denn wie der 25-Jährige selbst formuliert hat, sei es sein erklärtes Ziel, sich um das Bürgermeisteramt in einer Vogelsberger Kommune zu bewerben. Insofern sollte man davon ausgehen, dass der junge Mann strikt einen Plan verfolgt, den er für sich einmal erstellt hat. Denn vor dem Beginn seiner Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten hat Becker bereits eine Lehrzeit als Industriemechaniker erfolgreich absolviert. 

Bei einer Wahl würde sich Becker einreihen in die Riege junger Bürgermeister, die im Vogelsbergkreis am Ruder sind. Genannt seien nur Sebastian Stang in Grebenhain oder auch Sascha Spielberger in Freiensteinau. Interessant dabei bleibt aber generell die Frage, wie die Lautertaler das Vorgehen des 25-Jährigen bewerten: Als Gelegenheit, sich profilieren zu wollen oder als Versuch, den vielfältigen kommunalpolitischen Herausforderungen mit frischem Wind zu begegnen.

Der Wahlkampf jedenfalls, der seit dem Wochenende eröffnet ist, verspricht auf eine ganz eigene Weise reizvoll zu werden. Wobei persönliche Frustration und Desillusionierung nicht ausgeschlossen sind. (Bertram Lenz) +++











Das Rathaus der Gemeinde Lautertal.
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O|N-Redakteur Bertram Lenz zur Kandidatur von Lukas Becker in Lautertal.
Foto: O|N - Archiv / Laura Struppe

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