Ex-Verfassungsschutzpräsident Maaßen

"Die Migrationspolitik ist ein Desaster - das Jahr 2015 wiederholt sich"

Bei der Bundestagswahl im Herbst 2021 kandidierte Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen als Direktkandidat für die CDU in Thüringen, 2023 wurde er Bundesvorsitzender der Werteunion und jetzt droht ihm der Parteiausschluss.
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03.03.2023 / REGION - In CDU-Kreisen wird weiterhin scharf über die Aussagen von Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen (60) diskutiert. Die Parteiführung um Friedrich Merz will ihn aus der Union ausschließen. Der einstimmige Vorstandsbeschluss wurde im Februar - vor knapp drei Wochen - gefasst. Im Fokus steht dabei auch die Werteunion - ein Verein, der vorwiegend aus konservativen CDU- und CSU-Mitgliedern besteht.


Der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (2012-2018) gehört seit 1987 der Christlich Demokratischen Union Deutschlands an, seit dem 28. Januar 2023 ist er Bundesvorsitzender der Werteunion. Bei der Bundestagswahl 2021 trat Maaßen im Wahlkreis "Suhl – Schmalkalden-Meiningen – Hildburghausen – Sonneberg" als Direktkandidat der CDU an und unterlag seinem Mitbewerber Frank Ullrich (SPD).

OSTHESSEN|NEWS hat mit Dr. Hans-Georg Maaßen über das Partei-Ausschlussverfahren, die aktuelle Migrations-Politik in Deutschland und die Kandidatur von Bundesinnenministerin Nancy Faeser als SPD-Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl im Oktober 2023 in Hessen gesprochen. Lesen Sie das Interview hier im Wortlaut.

O|N: Der CDU-Bundesvorstand hat am Montag, den 13. Februar 2023 die Einleitung eines Partei-Ausschlussverfahrens gegen Ihre Person beschlossen. Was sagen Sie dazu?

Maaßen: "Das Parteiausschlussverfahren ist das schärfste Mittel, um sich von Parteimitgliedern, die die Partei vorsätzlich schädigen, zu trennen. Die CDU-Parteiführung nennt für den gegen mich geforderten Parteiausschluss zwei Gründe: Erstens, weil ich den Vorsitz der Werteunion übernommen habe und zweitens, weil ich "Ausdrücke aus dem Milieu der Verschwörungstheoretiker und Antisemiten" verwendet hätte. Beide Gründe sind juristisch abwegig. Dem Parteiausschlussverfahren schaue ich gelassen und emotionslos entgegen. Ich lasse mich nicht so einfach aus der CDU verdrängen, denn es geht nicht nur um mich, sondern um die Meinungsfreiheit in der Partei. Nachdem die AfD mit einer sog. Brandmauer ausgegrenzt worden ist, soll offensichtlich auch in der CDU eine Mauer gegenüber all jenen errichtet werden, die sich kritisch zur Migrationspolitik und zum offiziellen Kurs der Partei äußern. Der in der CDU-Führung absolut dominante linke Parteiflügel will keine Kurskorrektur und will nicht, dass Konservative und Liberale in der CDU wieder Einfluss haben. Der Linksausrichtung der CDU unter Merkel und die Merkelsche Migrationspolitik sollen offenbar zementiert werden."

O|N: Gab es mittlerweile ein Gespräch mit CDU-Chef Merz?

Maaßen: "Nein, es gab kein Gespräch mit Friedrich Merz, Generalsekretär Czaja oder einem anderen Mitglied des Bundesvorstands. In einem Rechtsstaat ist es üblich, dass vor einer Entscheidung mit dem Betroffenen ein Gespräch geführt wird, um dessen Position zu hören und zu verstehen. Dieses Recht wird in Deutschland selbst schweren Straftätern gewährt. Die CDU-Parteiführung hält sich noch nicht einmal an die Mindeststandards des rechtsstaatlichen Umgangs. Stattdessen erfuhr ich zunächst aus den Medien über die Beschlüsse des CDU-Präsidiums, ehe man mir per Post die Entscheidung zusandte."

O|N: Warum halten Sie einen Parteiausschluss für nicht gerechtfertigt?

Maaßen: "Die Vorwürfe sind abwegig. Man wirft mir zum einen vor, ich sei Vorsitzender der Werteunion. Dieser Verein hat geholfen, dass Friedrich Merz Parteivorsitzender wurde, weil er eine Politikwende versprochen hat, die bislang ausgeblieben ist. Jetzt wird die Werteunion bekämpft, weil sie eben diese Politikwende von ihm und einen Bruch mit Merkels Migrationspolitik einfordert. Auch der Vorwurf, ich hätte mich rassistisch geäußert, ist absurd. Ich kritisierte in Zeitungsbeiträgen grün-linke "Seenotretter" als Rassisten und warf ihnen eine Rassenlehre mit umgekehrten Vorzeichen vor. Diese Leute sprechen ganz offen davon, dass sie die Menschen aus dem Mittelmeer nur deshalb nach Deutschland holen, weil sie für eine "Enthomogenisierung" Deutschlands sind. Sie sagen, die "Weißbrote" sollen in 50 bis 100 Jahren aussterben. Unter "Weißbrote" verstehen diese grün-linken "Seenotretter" die ethnischen Deutschen und Europäer mit weißer Hautfarbe, die nach deren Ideologie verschwinden sollen. Es ist schon bemerkenswert, dass man mir Rassismus unterstellt, wo ich wie ein Ankläger das Verhalten anderer als rassistisch bezeichnet hatte."

O|N: Sie sprechen von einer "Rufmordkampagne". Warum?

Maaßen: "Der Vorwurf, Antisemit zu sein, ist heute in Deutschland der schlimmste Vorwurf, den man gegen jemanden erheben kann. Damit kann man Menschen politisch, gesellschaftlich und beruflich vernichten. Rassisten und Antisemiten sind gesellschaftlich geächtet, mit ihnen will kein normaler Mensch etwas zu tun haben. Ist der Vorwurf begründet, dann ist diese gesellschaftliche Ächtung nachzuvollziehen. Allerdings wird der Vorwurf heutzutage auch gegen politisch missliebige Personen instrumentalisiert, um sie mundtot zu machen und gesellschaftlich zu vernichten. Die CDU-Parteiführung betreibt mit dem Vorwurf, ich hätte "Ausdrücke aus dem Milieu der Antisemiten" verwendet, eine solche Instrumentalisierung. Sie behauptet zwar nicht, ich sei Antisemit oder würde mich antisemitisch äußern, weil dies gerichtlich überprüfbar ist, sondern es wird mit der dubiosen und kaum gerichtlich überprüfbaren Formulierung gearbeitet, ich verwende "Äußerungen aus dem Milieu". Das ist Rufmord.

O|N: Wo steht die CDU aus Ihrer Sicht?

Maaßen: "Unter Merkel ist die CDU zu einer linken Partei geworden. In nahezu allen Politikbereichen hat die CDU grüne und rote Positionen übernommen und die eigenen Grundüberzeugungen aufgegeben. Schauen Sie sich doch beispielsweise die Migrationspolitik, die Familienpolitik, die Steuerpolitik, die Genderpolitik oder die Klimapolitik an. Oder die Kuschelpolitik der CDU unter Merkel gegenüber Russland und China an, die dazu führte, dass wir von Russland und China energiepolitisch und wirtschaftspolitisch abhängig wurden. Die Werteunion, deren Vorsitz ich vor einigen Wochen übernahm, und ich möchten eine Politikwende in der CDU. Weniger Merkel als vielmehr Adenauer und Kohl."

O|N: Wie bewerten Sie die aktuelle Migrations-Politik?

Maaßen: "Sie ist ein Desaster. Das Jahr 2015 wiederholt sich wieder, aber es wird darüber öffentlich wenig gesprochen. Jeden Tag kommen viele hundert Migranten aus entfernten Staaten zu uns und wollen dauerhaft hier leben. Dabei handelt es sich überwiegend nicht um Ukrainer, wie uns manche Politiker einreden wollen, sondern Menschen aus Nordafrika oder dem Mittleren Osten. Sie sind nicht schutzbedürftig, sondern sie kommen zu uns, weil sie glauben, dass es ihnen hier besser geht als zuhause oder weil sie der Strafverfolgung zuhause entgehen wollen. Es geht also nicht um Flüchtlingsschutz, und von maßgebenden Politikern wird auch nicht mehr davon gesprochen, dass es sich um schutzbedürftige Menschen handelt. Es geht SPD und Grünen offensichtlich darum, dass man den Zuzug von Hunderttausenden von Ausländern aus fernen Ländern deshalb will, weil man eine andere Gesellschaft möchte."

O|N: Aus Ihrer Erfahrung: Ist es möglich, Bundesinnenministerin zu sein und gleichzeitig als SPD-Spitzenkandidatin Wahlkampf in Hessen zu führen? Der Job erfordert doch Aufmerksamkeit wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, oder?

Maaßen: "Nach meiner Erfahrung im Bundesinnenministerium, und ich hatte dort über 20 Jahre gearbeitet, muss der Bundesinnenminister 24 Stunden und sieben Tage die Woche verfügbar sein und Entscheidungen treffen. Das Amt eines Bundesinnenministers ist kein Halbtagsjob. Der Bundesinnenminister ist für die gesamte innere Sicherheit, für Migration und Katastrophenschutz zuständig. Frau Faeser hat bisher gezeigt, dass sie ihrem Amt nicht gewachsen ist. Dies wurde besonders deutlich bei der Migrationspolitik. Sie hätte vom Amt der Bundesinnenministerin zurücktreten müssen, um sich auf den Wahlkampf in Hessen zu konzentrieren. Dass sie weiter Ministerin bleiben will, zeigt, dass sie selbst nicht damit rechnet, Ministerpräsidentin zu werden und dass sie nach einem verlorenen Wahlkampf nicht arbeitslos sein möchte." (Christian P. Stadtfeld) +++

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