Verzicht - oder nicht?

Fastenzeit: Worauf verzichten die Osthessen bis zum Osterfest?

Die Fastenzeit hat begonnen. Wie fasten Menschen in der Region?
Symbolbild: Pixabay

25.02.2023 / REGION - 40 Tage dauert die Fastenzeit an, die am Aschermittwoch begonnen hat und bis zum Karsamstag dauert. Die katholische und die evangelische Kirche rufen in dieser Zeit dazu auf, den Verzicht zu üben. Das kann beim Essen anfangen, über Alkohol oder Zigaretten gehen, sich aber auch auf die Handy- oder Computernutzung ausdehnen. Manche fasten auch für den Umweltschutz - Stichwort Klimafasten oder Autoverzicht.



"Die 40 Tage der  Fastenzeit sind eine gute Zeit für ein Update, es ist die Zeit von Abschied und Neuanfang, es ist die Zeit für Gedanken zum Weiterdenken über den eigenen Glauben hinaus. Im Christentum beginnt die Fastenzeit am Aschermittwoch und endet am Ostersonnabend, also mit allen Sonntagen, die nicht mitgezählt werden, nach 46 Tagen", so Gunter Geiger von der Katholischen Akademie in Fulda.

Über das Individuelle hinaus rufen die Kirchen beider Konfessionen seit einigen Jahren zum 'Klimafasten' auf. 'So viel du brauchst' heißt die Aktion, die dazu anregen will, den eigenen Alltag zu überdenken. Klimaschutz erfordere Anstrengungen, sei aber ein Gewinn, wenn es gelinge, das eigene Leben klimafreundlicher zu gestalten.

OSTHESSEN|NEWS hat Menschen aus der Region gefragt, ob und falls ja, auf welche Weise sie die Fastenzeit nutzen, um Gewohnheiten zu ändern und auf bestimmte Dinge zu verzichten.

Thomas Hering ist Landtagsabgeordneter aus Fulda. "Während der Fastenzeit verzichte ich auf alkoholische Getränke, zudem an Aschermittwoch und Karfreitag auf Genussmittel", so Hering. "Die Zeitfenster stehen für Orientierung an gebotenen Vorgaben meines Glaubens innerhalb der Fastenzeit. Verhehlen will ich aber nicht die gesundheitsbezogene Intention einer heilsamen Wirkung für Körper und Geist", fügt Hering hinzu.

Fabian Göbel, der Leiter der Volkshochschule des Landkreises Hersfeld-Rotenburg, fastet auch, allerdings unabhängig von der Fastenzeit. "Einmal im Jahr mache ich das klassische Fasten und nehme nur Brühe zu mir", so Göbel, der dies aus Gründen der Gesundheit tut. "Ab und zu mache ich auch Intervallfasten, also acht Stunden etwas essen und 16 Stunden nichts essen", so der passionierte Marathonläufer.


Ingo Schäfer ist Pfarrer der evangelischen Martinskirche in Bad Hersfeld. "Ich nehme dieses Jahr an der Fastenaktion der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) teil", sagt er. Diese steht unter dem Motto "Leuchten - Sieben Wochen ohne Verzagtheit". "Das ermuntert und ermahnt mich dazu, in mich zu gehen und zu überlegen, was mich trägt, was mich selber zum Strahlen bringt, was mir im Alltag Kraft gibt." Zugleich überlege er in dieser Zeit, wie er selbst zum Licht für andere werden könnte. "Wie kann ich mit meinen Worten und Taten Helligkeit in diese Welt bringen?", fragt Schäfer sich. Und er stellt auch die Frage: "Was kann ich in diesen sieben Wochen tun, um gegen Resignation und Verzagtheit anzugehen?" Er lobt die Begleitung der EKD zum Fastenthema dieses Jahres.

 "In der Fastenzeit verzichte ich nicht bewusst auf Nahrung oder Getränke", sagt Eiterfelds Bürgermeister Hermann-Josef Scheich. "Ich nutze die Fastenzeit als Zeit der Besinnung und Reflexion. Ich versuche, 'schlechte' Gewohnheiten zu unterlassen und neue in den Alltag einzuführen", so der Bürgermeister.


Monsignore Bernhard Schiller ist Pfarrer der Pfarrgemeinde St. Lullus Bad Hersfeld/Niederaula-Kirchheim. "Die Fastenzeit gehört für mich zum heilsamen Rhythmus des Jahres als Frage an die innere Freiheit. Eine notwendige Übung, meinen Abhängigkeiten und Verhärtungen auf die Spur zu kommen. Dazu versuche ich, (durchaus ungesunde) Essensgewohnheiten zu ändern und (durchaus ichbezogene) Genusspraktiken zu lassen", sagt Schiller. "Wir können nicht gleich alles um uns und im großen Ganzen ändern für Frieden und Gerechtigkeit, aber ich kann mich anstrengen, bei mir selber etwas neu werden zu lassen."

"Die Passionszeit hat begonnen und schon lange Frage ich mich, was man in dieser Zeit eigentlich machen soll. Die Pfarrerin Kathrin Oxen bringt diese Frage auf den Punkt. Auch für sie war eine Weile die "Sieben Wochen ohne" populär - auch bei mir", sagt Frank-Nico Jaeger, Pfarrer der Bad Hersfelder Stadtkirchengemeinde. "Auch die Ermunterung zum Verzicht mit dem Versprechen, dass das irgendwie gut für einen sein soll, der Verzicht auf Alkohol oder Süßes habe ich gerne angenommen. Wenigstens ein bisschen leiden. "Aber der Krieg in der Ukraine reißt mir die Fastenkalender und all das motivierende Begleitmaterial einfach aus den Händen.", so die Berliner Pfarrerin. Das furchtbare Geschehen in der Ukraine zwingt mich , meinen Kopf in eine Richtung zu drehen, in die ich nicht freiwillig sehen möchte. Aber nun weiß ich wieder, was ich in der Passionszeit machen soll: Hinsehen, auf das Leiden, auf das Leiden Jesu und seine unendlich traurigen Abbildungen in vielen Menschengesichtern auf dieser Welt. Und beten: Kyrie eleison.", so Jaeger.

Sabine Kampmann, Diakonin der evangelischen Kirche in Bad Hersfeld, sagt: "Meine Fastenzeit bedeutet mehr Stille, 'Innenschau'  und intensive Auseinandersetzung mit Sinnfragen." Sie schreibe viel Tagebuch und versuche, etwas Abstand von negativen Nachrichten zu nehmen. "Ich bringe Vieles ins Reine und kläre Zwischenmenschliches", so Kampmann. "Fastenzeit ist mehr als Verzicht auf Substanzen", sagt sie.


"Ich habe mal gefastet, heute mache ich das nicht mehr. Ich wollte schauen, ob ich es durchhalte, mal kein Fleisch zu essen. Das ist bei meiner damaligen Schwiegermutter sehr auf Unmut gestoßen, was mich aber nur umso religiöser gemacht hat", sagt Wolfgang Göltner mit einem Zwinkern. Er ist Lehrer und ehrenamtlicher Jäger



Michael Wehner ist Richter am Amtsgericht Bad Hersfeld und wohnt in Petersberg bei Fulda. Der Rhöner-im-Herzen sagt im O|N -Gespräch: "Ich versuche auf Alkohol, Fleisch und Süßes zu verzichten, das schaffe ich aber nie in Gänze. Früher hat mich das mehr gestört, heute bin ich da entspannter. Trotzdem versuche ich es möglichst weitgehend zu reduzieren. Anlass ist für mich die christliche Fastenzeit, aber es geht auch darum, das eigene Konsumverhalten mal kritisch zu überdenken", so der 34-jährige Rhöner. (Christopher Göbel) +++

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