Blick ins Stadtarchiv

Staub und Heftklammern sind die größten Feinde des Papiers

Stadtarchivar Johannes Wagner an seiner Wirkungsstätte.
Fotos: Christopher Göbel

03.02.2023 / BAD HERSFELD - Stadtarchiv - das klingt erst einmal nach verstaubten Akten, muffigem Keller und einer alten Dame, die im Schein einer Schreibtischlampe über die Archivalien wacht. In Bad Hersfeld stimmt davon nur der Keller, allerdings nicht muffig riechend. Johannes Wagner ist 29 Jahre alt und seit vier Wochen der Stadtarchivar. Bei einem Besuch von OSTHESSEN|NEWS erzählt er von seinen Aufgaben und was alles im Louis-Demme-Stadtarchiv gelagert wird.



"Wenn man alles zusammenzählt, dann haben wir knapp 800 Meter Akten im Archiv", so Wagner. Das älteste städtische Dokument stammt aus dem frühen 14. Jahrhundert. "Das älteste kirchliche Dokument sind Gebetstexte aus der zweiten Hälfte des achten Jahrhunderts", so Wagner. "Die kirchliche Überlieferung geht bis auf die Stadtgründung zurück." Doch so alt ist lange nicht alles, was im Keller unter der Stadtbibliothek lagert. Ein Großteil der Archivalien besteht aus Bauanträgen, Grundstücksverkäufen und beispielsweise auch Unterlagen über Kriegssteuern. Auch Baupläne und Landkarten gehören dazu.

Fast täglich wächst das Archiv, denn immer wieder kommen neue Akten aus den Fachbereichen der Stadtverwaltung hinzu. Auch Sitzungsprotokolle der Stadtverordnetenversammlung und der Ausschüsse werden nach einer gewissen Zeit dem Stadtarchiv zugeführt. "Noch besteht ein Großteil meiner Arbeit aus Papier", so Wagner. Der Weg zu einem digitalen Archiv sei noch lang. "Das wird noch zehn bis 20 Jahre dauern", so Wagner. Der Vorteil von einem analogen und einem digitalen Archiv sei die doppelte Absicherung. Wichtig sei, dass digitale Daten gesichert gespeichert werden müssten. "Mein Traum ist es, das komplette Archiv zu digitalisieren. Aber damit wäre ich bis zur Rente beschäftigt und meine Nachfolger ebenfalls", scherzt der 29-Jährige.

Das Archiv steht niemals still

Zumal es keinen Stillstand im Stadtarchiv gibt. Neben den offiziellen Dokumenten gibt es immer wieder Menschen, die sich melden, weil sie auf dem Dachboden oder im Keller kistenweise alte Akten und Fotoalben gefunden haben. "Da standen schonmal zwei Kartons vor der Tür", erzählt Wagner. Das sei aber nicht der richtige Weg: "Wer so etwas findet, kann sich gerne an das Archiv wenden." Dann begutachtet Wagner die Stücke vor Ort und entscheidet dann, was archivierungswürdig ist. "Grundsätzlich alles, was mit der Stadt und der Stadtgeschichte zu tun hat", sagt er. Private Aufzeichnungen seien meist nur für die Familien wichtig.

Auch Fotos gibt es in großer Zahl im Stadtarchiv. "Bisher hatte ich keine Zeit, alle zu sichten", so Wagner. Und eine Bibliothek mit Büchern über Bad Hersfeld ist ebenfalls Teil der Sammlung. "Wenn es neue Bücher über die Stadt gibt, dann kaufen wir immer zwei Exemplare für das Archiv", so Stadt-Pressesprecher Meik Ebert. Allerdings sei eine Bibliothek ein eigenes Thema, "das mit der Dokumentenarchivierung nicht viel zu tun hat", fügt Johannes Wagner hinzu.

Damit die Dokumente möglichst lange erhalten bleiben, müssen sie fachgerecht verpackt werden. Dafür werden säurefreie Kartons genutzt, die das Papier nicht angreifen. Vor der Archivierung müssen auch bei den neueren Dokumenten alle Metallteile wie Heftklammern entfernt werden. "Rost zersetzt das Papier", weiß Wagner. Zur Heftung werden spezielle Kunststoffteile benutzt. "Papier hat noch zwei weitere Feinde: Staub und Schimmel". Und ein Super-Gau wäre natürlich, wenn die Archivalien nass werden würden. "Es gibt Spezialfirmen, die das trocknen können. Aber das ist teuer", so der Fachmann.

Vorfreude auf den Archiv-Neubau

Im Louis-Demme-Stadtarchiv werden die Dokumente bei etwa 19 Grad Celsius und einer Luftfeuchtigkeit von rund 30 Prozent gelagert. "Das geht gerade so", sagt Wagner. Weil die Voraussetzungen aber nicht ideal sind, freut er sich auf den geplanten Neubau des Stadt- und Kreisarchivs (O|N berichtete mehrfach). Durch die Unterbringung beider Archive ergäben sich Synergieeffekte, die Zeit und Platz sparen. Doch das Gebäude muss erst einmal gebaut werden. Und dennoch: "Ich bereite den Umzug schon seit meinem Arbeitsbeginn vor", sagt Wagner. Denn es brauche mehrere Jahre, um ein Archiv wie das in Bad Hersfeld fachgerecht umzuziehen.

Was ihn besonders freut: Im neuen Stadtarchiv soll es einen Ausstellungsraum geben. "So können wir den Menschen auch etwas zurückgeben und ihnen Dokumente aus der Geschichte ihrer Stadt präsentieren." Er könne sich auch vorstellen, Kurse zu geben, beispielsweise zu früheren Handschriften. Denn ohne Kenntnisse in Sütterlin und Kurrent sind viele Dokumente der Vergangenheit nicht zu entziffern. Und diese Schriftarten waren bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts weit verbreitet. (Christopher Göbel) +++

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