Touristenmagnet im Vogelsberg

Vier alte Burgen: Turmführer Udo Keilwerth vermittelt Geschichte musikalisch

Singen kann er auch noch: Turmführer Udo Keilwerth an seinem Arbeitsplatz
Fotos: Marius Auth

31.12.2022 / SCHLITZ - 1356 wurde in Schlitz ein 36 Meter hoher Bergfried in die Landschaft gesetzt, der Hinterturm. Seit 1954 können Besucher die Burgenstadt von oben erleben, Aufzug sei Dank. Turmführungen beschränkten sich seit dieser Zeit auf Fakten rund ums schaurige Gemäuer. Der neue Turmführer Udo Keilwerth singt dagegen oben noch das traditionelle Schlitzer Lied - sehr zur Freude der Touristen.



Das Schlitzer Lied ist inzwischen 200 Jahre alt. Gesungen wird es auch am Trachtenfest - um 25 Uhr, um ein Uhr morgens. "2.500 Menschen am Marktplatz, eine Gasse öffnet sich, der Nachtwächter läuft durch und singt das Lied, Gänsehaut", beschreibt Keilwerth. Der 61-Jährige wurde in Bad Hersfeld geboren, die Liebe zog ihn nach Schlitz, seit 1977 fühlt er sich der Kleinstadt mit den fünf Burgen im Vogelsbergkreis zugehörig.

"Es ist erhebend"

"Für mich ist Schlitz ein Gefühl. Wenn ich oben auf dem Hinterturm stehe, das ist sehr erhebend. In der dritten Strophe des Schlitzer Liedes werden die vier Türme beschrieben, die man von hier sehen kann: Hinterburg, Vorderburg, Ottoburg, Schachtenburg - die Hallenburg sieht man zwar auch noch, das Lied bezieht sich aber nur auf den Burgenring. Umringt von Burgen, das ist einmalig in Deutschland, so viele Burgen auf einem Fleck."



Seit August dieses Jahres ist Keilwerth Turmführer, auf die Idee mit dem Lied musste ihn aber ein Tourist bringen: "Die Turmführungen gibt es schon so lange wie den Aufzug. Der wurde 1954 von Otto Hartmann von Schlitz genannt von Görtz gestiftet, der auch das gegenüberliegende Seniorenstift gestiftet hat. Die Geschichte des Hinterturms ist hochinteressant: Erreichen konnte man ihn lange Zeit nur durch einen hochklappbaren Steg, die sogenannte Seufzerbrücke. Unten im Turm waren drei Verliese untergebracht, die Verurteilten wurden über die Seufzerbrücke in den Turm geführt. Aber es ist natürlich eine eher schaurige Geschichte - warum nicht das schöne Lied oben singen, hat mich dann ein Tourist gefragt, der es vorher gehört hatte."



Keilwerth nahm sich zu Hause die Noten vor, seit Ende August werden die dritte Strophe und der Refrain zum Besten gegeben:

Vier alte Burgen zeugen von längst vergang´ner Zeit, / drei Türme stattlich ragen, man sieht sie weit und breit. / Dran kann es leicht erkennen, wer nur das Städtlein sieht, / wir grüßen es mit Freuden, ihm gilt dies Ehrenlied.

Du Stadt, die uns geboren, dir sei ein Gruß geweiht, / oh mögst du lieblich grünen und blühen allezeit.

Das Feedback sei bisher durchweg positiv: "Im Sommer hatten wir Besucher oben, die meinten, es wäre ihnen ein Schauer über den Rücken gelaufen - bei 20 Grad. Das verstehe ich als Kompliment", freut sich Keilwerth. (Marius Auth) +++

X