Real-Satire am Weihnachtsmarkt

Unangemeldete Erbsensuppen-Trauerfeier: Stadt greift "mit aller Härte" durch

Ruhe in Frieden, liebe Erbsensuppe! Von links: Bernd Heil, Robert Löser und Michael Schmitt.
Fotos: Carina Jirsch

14.12.2022 / FULDA - Robert Löser, Bernd Heil und Michael Schmitt sind in Fulda dafür bekannt, dass sie nicht alles bierernst nehmen, sondern vieles mit einem gewissen Augenzwinkern betrachten. Und so verwunderte es ein wenig, als die drei älteren Herren am Dienstagmorgen unter den Verdacht gerieten, am Fuldaer Weihnachtsmarkt möglicherweise eine Revolte anzetteln zu wollen. Warum? Ja, natürlich wegen Schneiders Erbsensuppe!



Der mühsame Streit darüber, der in den vergangenen Wochen durch die Presse ging, hier nochmal in aller Kürze: Seit 40 Jahren ist der Erbsensuppen-Stand von Metzger Christoph Schneider nicht mehr vom Weihnachtsmarkt wegzudenken. Allerdings habe es in diesem Jahr gewissermaßen Formfehler bei der Bewerbung gegeben, wie Bürgermeister Dag Wehner jüngst im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS erklärte, so dass die Metzgerei Schneider bei der Standvergabe nicht berücksichtigt werden konnte. Das mag einem schmecken oder nicht, rechtlich ist es einwandfrei.

Nun trafen sich Robert Löser, Bernd Heil und Michael Schmitt am Dienstagmorgen um 10:30 Uhr genau an der Stelle, wo sich sonst der Stand der Metzgerei Schneider befand, um dort die Erbsensuppe in einer kleinen Trauerfeier zu Grabe zu tragen. Sie trugen schwarze Zylinder, hatten eine Gedenktafel aufgestellt, Bernd Heil rührte gespielt den Tränen nahe in einem leeren Suppentopf und Michael Schmitt las die Trauerrede vor.

"Wir haben uns extra eine halbe Stunde vor der Eröffnung des Weihnachtsmarktes getroffen. Das hier soll ja eine humoristische Einlage sein und nichts, was man beim Ordnungsamt anmelden müsste", so das Trio infernale. Da hatten sie aber die Rechnung ohne die Stadt gemacht, die dennoch von der Aktion Wind bekommen hatte und prompt zwei Mitarbeiter der Stadtpolizei vorbeischickte. "Wir sollen hier kontrollieren, dass kein Auflauf entsteht", sagte einer der Uniformierten, der auf gar keinen Fall fotografiert werden wollte, da ihm das Ganze doch etwas peinlich war.

Denn "der Auflauf" bestand lediglich aus Robert Löser, Bernd Heil und Michael Schmitt sowie drei Pressevertretern und den beiden Ordnungshütern selbst. Ansonsten schien sich von den Passanten niemand dafür zu interessieren. Oder aber es war einfach nur zu kalt, um mal kurz stehen zu bleiben. Denn nach gerade einmal fünf Minuten löste sich "der Auflauf" wieder auf. - Ende der Real-Satire!

Aus Chronistenpflicht hier die "Trauerrede" im Wortlaut:

Als unmittelbar Betroffene bringen wir hier unsere Meinung, unser Unverständnis zum Ausdruck. Leisten aktive Trauerarbeit.

So groß, zu groß ist unsere Betroffenheit, die wir nicht über Traueranzeigen in der FZ, sondern hier und heute der Öffentlichkeit kundtun.

An diesem verwaisten traditionellen Standplatz verspüren wir als Vertreter der "Schneider’s Erbensuppen-Fangemeinde" den sprichwörtlichen "Schlag in die leere Magengrube".

Schneider’s Erbsensuppe ist Heimat, verinnerlicht, vermittelt Heimat, wenn sie bei erwartungsvoll geschlossenen Augen wohltuend den Magen erreicht.

Sie ist nicht allein Heimat, nein Kulturgut. Was dem Frankfurter seine "Gree Soß" ist, ist uns Schneiders Grüne Erbsensuppe.

Ganz und gar nicht vertragen wir grüne Bevormundung. Fordert doch Silvia Brünnel, Vorsitzende der Grünen, tatsächlich, strittige Themen müssten in der Koalitionsrunde besprochen werden.

Heißt auf gut Deutsch, hinter verschlossenen Türen das Süppchen rühren. Bürokratie verdrängt Tradition.

Der wahrscheinlich längste "Tröster" der Stadtgeschichte findet gleichwohl statt. Im Café Gerk am Gemüsemarkt bis Weihnachten gibt’s: Schneider’s Erbsensuppe. (Matthias Witzel) +++

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