Aalens Trainer im Interview

Tobias Cramer: Wir verfallen trotz des Neun-Punkte-Minus nicht in Panik

Fulda ist ihm bekannt: Aalens Trainer Tobias Cramer (rechts)
Fotos: Verein

02.12.2022 / AALEN/FULDA - VfR Aalen heißt der nächste Gegner der SG Barockstadt Fulda-Lehnerz in der Regionalliga Südwest: Am Samstag gastiert das Team aus der Ostalb in der Johannisau, Spielbeginn: 14 Uhr. Es ist ein durchaus spezieller Vergleich: Das letzte Heimspiel der SGB in diesem Jahr steht an - und Aalens Trainer Tobias Cramer, einst Coach bei Hessen Kassel und dem SC Willingen, kehrt nach Fulda zurück. Denn er hatte es sowohl mit Borussia Fulda als auch dem TSV Lehnerz schon einige Male zu tun. OSTHESSEN|NEWS sprach mit Cramer. 

Herr Cramer, welche Erinnerungen haben Sie an das Hinspiel? Das endete ja mit einem 3:0-Sieg ihres VfR.

Cramer: Meine einzige Erinnerung: Wir haben gegen eine Mannschaft gespielt, die sehr gut drauf war und gute Qualität hatte. Wir haben die Tore zum richtigen Zeitpunkt geschossen. Das 3:0 war schon verdient, wenn es auch zu hoch ausgefallen ist. Denn es war nicht so klar, wie es das Ergebnis aussagt.

Was spricht dafür, dass der VfR erneut als Sieger vom Platz geht?

Cramer: Das ist eine schwierige Frage. Die Liga ist so ausgeglichen, dass wir solche Dinge wie das Hinspiel, Eindrücke und Entwicklungen sehr ernsthaft beäugen und analysieren.

Wie schätzen Sie die Aufgabe ein in Fulda?

Cramer: In jeder Woche kommt in der Regionalliga ein Brett auf dich zu. Da entscheiden Tagesform, Teamspirit, gute körperliche Verfassung oder auch auf den zweiten Ball zu gehen. Die Leistungsdichte innerhalb der Liga ist sehr eng.

Welche Stärken hat der VfR Aalen, welche die SG Barockstadt?

Cramer: Die SG Barockstadt spielt seit Jahren zusammen. Sie mussten sich nicht groß adaptieren in der höheren Klasse. Am meisten noch in der Spiel-Geschwindigkeit. Die Mannschaft ist nicht mehr der Top-Favorit - wie noch in der Hessenliga. Sie hat sich auch fußballerisch weiterentwickelt, was ihr zu besseren Ergebnissen verholfen hat. Sie hat also auch Zählbares aus ihrer Entwicklung mitgenommen. Es wird komplett ein Spiel auf Augenhöhe am Samstag.

Und wo liegen die Vorzüge ihres Teams?

Cramer: Wir wollten eine mannschaftliche Weiter-Entwicklung vollziehen. Innerhalb der Saison gab es schwierige Phasen mit gravierenden Verletzungen von Leistungsträgern.Teilweise hat eine U21-Mannschaft auf dem Platz gestanden. Beide Innenverteidiger waren 20 und 21. Wir waren trotzdem stabil unterwegs, und es geht auch fußballerisch voran. Das zeigen drei Siege in Folge. Wir müssen trotzdem immer wieder auch die Basics auf den Platz kriegen. Aber: Aus unseren letzten sechs Spielen stehen vier Siege, ein Unentschieden und eine Niederlage zu Buche.  Eine gemeinsame Entwicklung kann auch Spaß machen.

Die Situation ist ähnlich wie die vor dem Hinspiel, oder? Die SGB tritt jeweils nach guter Leistung gegen das Spitzenteam Steinbach Haiger an, und der VfR ...

Cramer: Grundsätzlich ist die Situation eine völlig andere. Im Hinspiel hatte die SG Barockstadt ihr zweites Spiel in der Regionalliga, und innerhalb der Runde hat sie zuletzt kleine Schritte nach vorn gemacht. Sie ist abgezockter, auch mit einer hohen Konsequenz - und, wie zum Beispiel mit Schaaf oder Pomnitz - sehr gute Spieler in ihren Reihen. Bei uns geht es ums nackte Überleben. Darum, dass wir die Klasse halten. Denn das Neun-Punkte-Minus lastet natürlich auf uns. Der Kader, das Trainerteam und der Staff waren sehr überrascht. Das sind - je nachdem, wie man es sieht - fließende oder schleichende Prozesse.

Damit sind wir beim Thema: Mitte Oktober machte es die Runde, dass der VfR Aalen in Insolvenz gehen musste und das Team neun Punkte abgezogen bekam. Inwieweit belastet das die Mannschaft und das Trainerteam?

Cramer: Die Arbeit ist dadurch nicht anders für mich als Trainer oder uns als Trainerteam. Wir verfallen nicht in Panik. Wirtschaftliche Dinge waren ausschlaggebend. Wichtig ist, dass die Mannschaft nicht den Kopf in den Sand steckt. Sondern, dass sie, dass wir positive Dinge daraus ziehen. An der sportlichen Herangehensweise hat sich nichts geändert.

Wie würden Sie die sportliche Zielsetzung umreißen? Addiert man die neun Punkte, wären sie einen Punkt hinter der SG Barockstadt und fast auf Augenhöhe ...

Cramer: In Kassel habe ich ja eine ähnliche Situation schon einmal erlebt. Aber zum VfR Aalen: Wir sind definitiv in der Lage, in diese Bereiche reinzukommen und die Liga zu halten. Das haben wir eindrucksvoll gegen spielstarke Mannschaften wie den FSV Frankfurt oder auch Freiberg bewiesen. Und wir werden daran arbeiten, das zu stabilisieren. Das ist zunächst unser Ziel in den beiden noch ausstehenden Auswärtsspielen des Jahres in Fulda und in Balingen.

In der Vergangenheit haben Sie mehrfach Bekanntschaft mit dem Fußball in Fulda gemacht. Was bleibt haften?

Cramer: Ja. In der Hessenliga haben wir mit Hessen Kassel zweimal in Fulda gespielt. Das ganz schlimme Debakel, als wir mal sechs Stück gekriegt haben bei Borussia Fulda, bleibt natürlich in Erinnerung. Auch als Marco Lohsse noch Trainer in Lehnerz war, haben wir immer mal Testspiele bestritten. 

Sie schielen sicher mit einem Auge auf ihre nordhessischen Ex-Vereine Willingen und den KSV Hessen, die beide um den Klassenerhalt kämpfen. Darf ich sie um eine Kurz-Beurteilung bitten?

Cramer: Der KSV spielt komplett unter Wert. Der negative Touch, was die Ergebnisse angeht, haftet am Verein. Mit dem Abstieg wird der KSV im Endeffekt nichts zu tun bekommen. Bei uns ist der KSV überzeugend aufgetreten und hat so gespielt, als hätte er einen einstelligen Tabellenplatz inne. Die Resultate spiegeln nicht die Qualität wider.

Und was ist im Hoppecketal-Stadion in Willingen los?

Cramer: Die Mannschaft hat in den letzten Jahren einen enormen Umbruch zu bewältigen. Sie muss gute, hungrige und talentierte Spieler integrieren - außer Jan-Henrik Vogel und zwei, drei anderen sind alle anderen 18 bis 20. Auffallend ist, dass sie sich oft in den letzten zehn Minuten noch um ihren Lohn gebracht hat. Doch mit dem Sportlichen Leiter Hubertus Albers und Thomas Querl gehören zwei meiner ehemaligen Mitspieler jetzt dem Vorstandsteam an. Die wissen, wie Fußball funktioniert. 

Herr Cramer, vielen Dank für das Gespräch (wk)+++

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