"Eigentümer schaut bewusst weg"

Jahrhunderte altes Fachwerkhaus am Kirchplatz: Droht im Winter der Einsturz?

Das alte Fachwerkhaus am Alsfelder Kirchplatz.
Fotos: Luisa Diegel

29.11.2022 / ALSFELD - Über 600 Jahre hat das alte Fachwerkhaus am Kirchplatz 10 in Alsfeld bereits auf dem Buckel. Doch schon bald könnte dem ein Ende gesetzt werden. Denn das Gebäude verfällt immer mehr, Erhaltungsmaßnahmen vom Eigentümer in der Vergangenheit Fehlanzeige. Der Verein "Stadtbild Deutschland" befürchtet nun, dass im Winter der Einsturz droht. 



"Am Alsfelder Kirchplatz rottet seit Jahren das über 600 Jahre alte Fachwerkhaus Kirchplatz 10 vor sich hin. Der Eigentümer schaut bewusst weg, spielt auf Zeit und zeigt keinerlei Interesse an der Bauerhaltung", so Jan-Patrick Wismar, Vorsitzender der Stadtbild Deutschland e.V. Regionalverband Mittelhessen. So alt das Gebäude ist, so viele Geschichten gibt es auch darüber zu erzählen. Die jüngsten sind aber alles andere als rühmlich. 

Eigentümer überbietet Stadt bei Zwangsversteigerung

Denn der Schandfleck in der Innenstadt ist in den vergangenen Jahren immer mehr verwahrlost. Der Eigentümer der Immobilie blieb bislang mit Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen untätig, ist also seinen Unterhaltungspflichten nicht nachgekommen. Deshalb musste sogar die Bauaufsicht des Vogelsbergkreises eingreifen - Sicherungsmaßnahmen im fünfstelligen Kostenbereich wurden durchgeführt, um Passanten nicht zu gefährden. "Die Maßnahmen wurden sowohl sichtbar an der Giebelseite des Gebäudes als auch im Gebäudeinneren durchgeführt", erklärt der Vogelsbergkreis auf OSTHESSEN|NEWS-Nachfrage.

"Für die Untere Bauaufsichtsbehörde besteht im Moment kein akuter Handlungsbedarf, dies bestätigt auch der Bericht unseres beauftragten Statikers. Die Untere Bauaufsichtsbehörde wird den Eigentümer jedoch schriftlich anhören. Er wird zur Vorlage eines aktuellen Standsicherheitsnachweises sowie um Stellungnahme zu seinen Absichten der Instandsetzung des Kulturdenkmals aufgefordert", heißt es vonseiten des Kreises.

Im Mai dieses Jahres kam es dann zu einer Zwangsversteigerung, bei der die Stadt Alsfeld eigentlich das Fachwerkhaus erwerben wollte. Eigentlich. Denn bei der Versteigerung am Alsfelder Amtsgericht hatte der Eigentümer eine Summe von 28.000 Euro geboten. 1.000 Euro höher als das Gebot der Stadt. Und so bleibt die Immobilie weiter im Besitz des langjährigen Eigentümers. 

Brief an Ministerin Angela Dorn

Ganz zum Unmut von Wismar und dem Verein "Stadtbild Alsfeld". Diese wussten sich nun nicht mehr weiter zu helfen - und wandten sich deshalb mit einem offenen Brief in die hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Angela Dorn. Der Verein sieht bei der Immobilie am Kirchplatz "große Eile", wie es aus dem Brief heißt: "Inmitten der Alsfelder Altstadt droht ein weit über 600 Jahre altes Gebäude endgültig zu verfallen. Seit Jahren wird an den Eigentümer appelliert, dieser spielt mit den Behörden, der Öffentlichkeit, aber auch den Anwohnern ,Katz und Maus'. Eine Sanierung selbst möchte er nicht (mehr) durchführen." Deshalb sehe Wismar hier nur für Passanten, sondern auch für das Gebäude große Gefahr. 

"Verfaulte Balken liegen frei, Ungeziefer tummelt sich im Gebäude, Ziegeln fallen herab und Fenster stehen auf. Hier können Tiere, Feuchtigkeit und Regen ungehindert eindringen", lautet die ernüchternde Schilderung im offenen Brief. Der Verein um Wismar appelliere nun an Dorn, sofortige Ersatzvornahmen anzuordnen. "Es wäre nicht nur für die Alsfelder Bevölkerung, sondern auch für viele interessierte Bürger eine große Erleichterung, dieses Gebäude weiterhin betrachten zu dürfen und endlich ein Ende unter dem Kampf, um das einzigartige Kulturdenkmal zu setzen."

Verein will Immobilie vor dem Abriss retten

Als Beispiel für einen sich lohnenden Kampf nennt er das Gebäude um die Alte Post in Gießen. Hier habe sich eine Online-Gruppierung gegründet, welche gegen den damaligen Eigentümer protestierte. Eine Vorgehensweise, die nun auch in Alsfeld anvisiert wird: Eine Gruppierung über Facebook (Rettet den Kirchplatz 10 in Alsfeld) ist bereits gegründet und hat erste Mitglieder. Wismar denkt allerdings auch über eine andere Maßnahmen nach: den Ankauf des Gebäudes. "Dieser bewegt sich im niedrigen fünfstelligen Bereich, da die bisherigen Sicherungsmaßnahmen des Vogelsbergkreises diesen Wert bei weitem übersteigen".

Sicher für den Verein ist: Ein Abriss soll verhindert werden. Deshalb appelliere er an Dorn, sich der Causa "Kirchplatz 10" anzunehmen. "Hier müssen noch vor dem Frost die Fenster und Balken abgedichtet, die Giebelfront abgesichert und das Haus schnellstmöglich auf seine Standsicherheit überprüft werden. Bei einem Teileinsturz auf benachbarte Gebäude wäre der Image-Schaden für unser ,Fachwerkland-Hessen' immens." (Luisa Diegel) +++

X