O|N-Gespräch mit Ursula Pöhlig

Neue Präsidentin will das "Wir"-Gefühl von Hessens Landfrauen stärken

Die neue Präsidentin des Hessischen Landfrauenverbandes, Ursula Pöhlig aus Freiensteinau.
Foto: Lenz

19.11.2022 / FREIENSTEINAU - Ehrenamtliches Wirken wird bei Ursula Pöhlig aus Freiensteinau (Vogelsbergkreis) seit jeher groß geschrieben. Nun ist eine weitere gewichtige Tätigkeit dazu gekommen: Die 51-Jährige wurde vor Kurzem in Friedberg zur Präsidentin des hessischen Landfrauenverbandes gewählt. Im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS schildert die gelernte Justizangestellte, welche Motivation sie antreibt und welche Ziele sie hat.

Erfahrung mit Leitungsfunktionen bei den Landfrauen hat Pöhlig hinreichend, war sie doch bereits insgesamt neun Jahre als Zweite beziehungsweise Erste Landesvorsitzende aktiv. Hinzu kommen Vorstandstätigkeiten im Landfrauenverein Freiensteinau beziehungsweise im Bezirkslandfrauenverein Lauterbach. Auf diese unterschiedlichen Betätigungsfelder kann sie auch jetzt bauen, denn der Kontakt zur Basis sei ihr schon immer wichtig gewesen, betont Pöhlig im O|N-Gespräch. 

Die 51-Jährige war die einzige Kandidatin in Friedberg gewesen und wurde für vier Jahre an die Spitze der hessischen Landfrauen gewählt. Ihr zur Seite steht mit Claudia Storch als Erste Stellvertretende Vorsitzende eine weitere Vertreterin aus unserer Region, nämlich vom Bezirksverein Fulda. Überhaupt könne sie auf ein gutes Vorstandsteam bauen, betont Pöhlig.



"Der Landesverband hat derzeit etwa 42.000 Mitglieder", so Pöhlig. Das höre sich zunächst einmal gut an, doch müsse man sich vergegenwärtigen, dass es vor wenigen Jahren - "als ich bei den Landfrauen begonnen habe" - 56.000 Mitglieder gewesen sind. Daher sei es eines ihrer Hauptanliegen, Interessierte zu werben, um den Landfrauen beizutreten. Gerade auch Jüngere sollen angesprochen werden, "denn so wie viele andere Vereine oder Verbände haben auch wir mit Überalterung zu kämpfen", betont die in Gießen Geborene, die seit 1977 in Freiensteinau zu Hause ist. 

Überlegungen zu Neuausrichtung

Der amtierende Landesvorstand sei bereits dabei, über eine zukunftssichere Neuausrichtung nachzudenken.  Konkret werde vorgeschlagen, neben dem Wohnort auch die individuellen Interessen der Frauen als Anknüpfungspunkte des Mitmachens und des Mitgestaltens im Landfrauenverein zu ermöglichen. Diese interessenbezogenen Gliederungen würden als "Überregionale Interessensgruppen" bezeichnet. Beispielhaft für diese seien genannt:

• die Literarischen Landfrauen
• die Grünen Landfrauen (Agrarbürofachfrauen, Bäuerinnen und ihre Stammtische, Frauen in
und aus der Landwirtschaft, Gartenfachfrauen)
• die Ernährungs-Landfrauen (Ernährungsfachfrauen, Multiplikatorinnen für "Klimabewusste
Ernährungsbildung für Kinder", Hessische Botschafterinnen für Agrarprodukte)

Pöhlig:"Ich werde mich dafür einsetzen, diesen neuen Weg lebhaft auszuprobieren. Denn dieser ermöglicht uns, interessengeleitet Frauen gezielt anzusprechen, abzuholen und einzubinden. Ich bin mir bewusst, dass uns die Neuausrichtung nachhaltig gelingt, wenn wir gleichzeitig die Vernetzungen und die Rückanbindungen in die Bezirks- und Ortsvereine begleiten und fördern. Gehen wir diesen Weg erfolgreich, wird Landfrauenarbeit vielfältiger und sichtbarer sein".

Falsches Bild korrigieren

Zugleich sei es ihr ein Anliegen, das in der Öffentlichkeit oft falsche Bild der Landfrauen zu korrigieren, bei denen nahezu alle Berufsgruppen vertreten seien. Pöhlig: "Ich will gemeinsam mit meinem Vorstandsteam die Rahmenbedingungen dafür schaffen, den Mehrwert, Landfrau zu sein, sichtbar zu machen". Dadurch könne man eigene Positionen zur Gleichstellung, Equal Pay, Gendermedizin sowie zur Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf und gegen Altersarmut in die gesellschaftlichen und politischen Debatten einbringen".

Wie die neue Präsidentin im O|N-Gespräch weiter formuliert, strebt sie zugleich eine Stärkung des "WIR-Gefühls" der Landfrauen und eine verbesserte Zusammenarbeit mit anderen Verbänden und Institutionen an, um mit diesem Potenzial Frauen in der Bewältigung ihres Lebens zu stärken: "Egal ob Karrierefrau oder Hausfrau, Landwirtin oder Lektorin, Mutter oder Nichtmutter, Witwe, Alleinerziehende oder Migrantin". Pöhlig weiter: "Besonders am Herzen liegt mir die Förderung von Alltagskompetenzen, deren Bedeutung sich in der Umsetzung als Schulfach widerspiegeln muss".

Auch wenn sie selbst keine Landwirtin sei, "so ist mir als Frau, die im ländlichen Raum lebt, bewusst, dass Landwirtschaft unsere Existenzgrundlage ist. Landwirtschaft ist die Grundlage unserer Ernährung. Landwirte und ihre Familien sind die wichtigsten Partner für Landschaftspflege, Biodiversität und Klimaschutz". Sie wolle sich daher selbstverständlich für eine vielfältige Landwirtschaft und die Frauen in der Landwirtschaft einsetzen. "Kurz für die Existenzsicherung landwirtschaftlichen Familienbetriebe".

Abschließend unterstreicht die Frau aus Freiensteinau, dass die überregionalen Interessensgruppen keine Konkurrenz zu den Orts- beziehungsweise Bezirksvereinen sein sollen, sondern nur ein ergänzendes Angebot. "Zugleich werde ich mich weiterhin für die Stärkung der Arbeit in eben jenen Orts- und Bezirksvereinen einsetzen, um die Vielfalt an der Basis zu erhalten und ein zukunftssicheres Wirken der Frauen vor Ort zu ermöglichen, zu unterstützen und zu erhalten". (Bertram Lenz) +++

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