Der lange Weg zur Bluecard
Indische IT-Spezialistin arbeitet in Bad Hersfelder Softwareunternehmen
Fotos: Christopher Göbel
21.11.2022 / BAD HERSFELD -
Deutsche Unternehmen klagen über den Fachkräftemangel. Und es sind nicht nur Handwerksbetriebe, sondern auch andere Branchen betroffen. Das Softwareunternehmen p36 aus Bad Hersfeld ist eines davon. Mit viel Mühe hat die Personalverantwortliche Virginia Hildebrand mitgeholfen, die indische IT-Spezialistin Afnan Afnan durch die Klippen der Immigrationsbürokratie zu bringen.
"Afnan kam alleine aus Indien nach Berlin. Sie hatte sich nach dem Tipp eines Freundes initiativ bei uns beworben", erzählt Hildebrand im Gespräch mit O|N. "Mit ihrer beruflichen Qualifikation im Softwarebereich war sie prädestiniert für uns." Kaum war der Plan gefasst, die 25-jährige Inderin einzustellen, begann der lange Weg durch den bürokratischen Dschungel, ehe sie ihre Stelle in Bad Hersfeld antreten konnte.
Voraussetzungen für die Blaue Karte
Um in Deutschland mit der Bluecard arbeiten zu können, benötigen Menschen aus dem Ausland einen festen Wohnsitz und einen Arbeitsvertrag oder eine verbindliche Stellenzusage. "Die Blaue Karte EU ist ein Aufenthaltstitel für Hochschulabsolventinnen und -absolventen, mit dem die dauerhafte Zuwanderung von Hochqualifizierten aus dem Nicht-EU-Ausland nach Deutschland erleichtert und gefördert werden soll", heißt es beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Sie wird zunächst für die Dauer von vier Jahren erteilt.Unterlagen für Immigranten sind meist auf Deutsch
Virginia Hildebrand, die selbst erst wenige Monate bei p36 arbeitet, suchte sich Unterstützung beim Bundesverband der Mittelständischen Wirtschaft (BVMW). Ellen Ehring und Daniel Raja standen ihr mit Rat und Tat zur Seite. "Ich habe viel recherchiert, welche Unterlagen eingereicht werden mussten", so Hildebrand. "Man sollte doch erwarten, dass gerade die Formulare zur Einwanderung mehrsprachig oder zumindest auf Englisch zur Verfügung stehen", so Hildebrand.Mit der Hilfe Hildebrands beantragte Afnan Anfang September die Bluecard. "Von Krankenkasse bis Rentenversicherung mussten zahlreiche Punkte abgearbeitet werden", sagt Hildebrand. Sie sei ihren Chefs, den Inhabern Robin Wennemuth und Patrick Pfau sehr dankbar, dass diese ihr die Zeit gegeben hätten, sich um die Belange der Inderin zu kümmern. Denn nach der Beantragung war erst einmal langes Warten angesagt. "Ich habe oft telefonisch nachgefragt." Zudem musste über die Arbeitsagentur bestätigt werden, dass es sich bei Afnans Beschäftigung um einen "Mangelbedarf" in Deutschland handelt. "IT-Fachkräfte sind auf jeden Fall ein Mangelbedarf", so Hildebrand. Auch hierfür mussten seitenweise Formulare ausgefüllt und eingereicht werden.
Viel Herzblut in die Sache gesteckt
Am 29. September erhielt Afnan nach Abgabe ihrer Fingerabdrücke eine vorläufige Bluecard, sodass dem Arbeitsbeginn am 1. Oktober nichts mehr im Wege stand. "Wir machen es Immigranten viel zu schwer, in Deutschland arbeiten zu können", konstatiert die Personalverantwortliche und meint damit vor allem die Bürokratie. In allen Bereichen fehlten Fachkräfte, aber nicht jedes Unternehmen investiere "soviel Herzblut" in die Gewinnung von Fachpersonal aus dem Ausland. "Es sollte einfacher sein, ausländische Arbeitskräfte in Deutschland zu integrieren", so Hildebrand.Inzwischen ist Afnan endlich bei p36 angekommen und setzt ihre Arbeitskraft als Software-Testerin für Software-as-a-Service-Lösungen in der Life Sciences-Branche ein. Ihr Arbeitsvertrag bei p36 ist unbefristet und vergangene Woche konnte sie ihre Bluecard im Scheckkartenformat bei der Ausländerbehörde abholen. (Christopher Göbel) +++