Pontifikalamt im Dom

Weihbischof Prof. Dr. Karlheinz Diez predigt an Allerheiligen

Weihbischof Prof. Dr. Karlheinz Diez hielt am Dienstagabend zum Gedenktag "Allerheiligen" eine Predigt
Fotos: Carina Jirsch

02.11.2022 / FULDA - Pontifikalamt im Dom: Fuldas Weihbischof Prof. Dr. Karlheinz Diez hielt am Dienstagabend zum Gedenktag "Allerheiligen" eine Predigt. Musikalische Unterstützung gab es vom Fuldaer Domchor unter Leitung von Domkapellmeister Franz-Peter Huber, an der Domorgel spielte Domorganist Prof. Hans-Jürgen Kaiser.



Beide Gedenktage der Kirche - Allerheiligen und Allerseelen - erinnern immer Anfang November an die Vergänglichkeit unseres irdischen Daseins. Am 1. November wird besonders der Heiligen gedacht. Dazu zählen nicht nur die bekannten Märtyrer, sondern auch diejenigen, die nicht offiziell heiliggesprochen wurden und nicht im Kalender der Kirche stehen - so wird an Allerheiligen auch jener Menschen gedacht, von deren Heiligkeit nur Gott weiß. Entstanden ist Allerheiligen deshalb, weil es zu viele Heilige gibt, um jedem einen speziellen Tag zu widmen. Schon im vierten Jahrhundert wurden in der orthodoxen Kirche deshalb Allerheiligenfeste gefeiert. 

Allerseelen (2. November) ist der eigentliche Totengedenktag. Die Kirche feiert beide Festtage in der Überzeugung, dass durch Jesus Christus eine Verbindung zwischen Lebenden und Toten besteht. Der Allerseelentag etablierte sich seit dem Hochmittelalter und wurde besonders durch den Abt Odilo des burgundischen Benediktinerklosters Cluny gefördert.

Predigt vom Weihbischof

Weihbischof Prof. Dr. Karlheinz Diez rückte in seiner Predigt die Bergpredigt aus dem Matthäusevangelium in den Fokus. Anbei seine Ausführungen im Wortlaut: 

"Liebe Schwestern und Brüder,

in manchen Diskussionen ist mir der Vorwurf begegnet, mit der Bergpredigt kann man nicht die Welt regieren. Dafür ist sie untauglich. Denn schließlich gelten im harten Politikgeschäft andere Regeln. Da ist man weit weg von der Barmherzigkeit und der Sanftmut, sie führen nicht weiter. Die Bergpredigt, so heißt es kritisch weiter, beschreibt ein Ideal, das nicht recht passt zu den harten Fakten, zu mühsamen Verhandlungen und Auseinandersetzungen, zum Angriffskrieg auf die Ukraine und den Kriegen insgesamt auf der Welt, zum Umgang mit Fakenews und Fanatismus. Nein, die Bergpredigt taugt nichts für die raue Wirklichkeit. Um gesellschaftlich und politisch etwas zu erreichen, braucht es klare Fronten, ohne eine gewisse Härte kommt man nicht weiter. Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil.

Aber ist das wirklich so? Sind die Seligpreisungen Jesu, die im Zentrum der Bergpredigt stehen, wirklich nur etwas für Träumer, für Idealisten? Hinken sie einem unlösbaren Anspruch hinterher? Sind das alltägliche Leben in der Politik und Gesellschaft und die Weisungen der Bergpredigt wirklich Gegensätze, die nicht zueinander passen? Ich meine nicht, selbst in der Zeit des Krieges in Europa.

Denn die Seligpreisungen sind Grundhaltungen für alle Menschen, Grundhaltungen, die immer wieder neu vor Augen gehalten und eingeübt werden müssen. Jesus hat seine Botschaft immer so gesprochen, dass sie von allen Menschen gut verstanden wird. Es gibt einfache Bilder und Vergleiche, die wir aus den Gleichnisse kennen. Seine Worte sind allumfassend, sie gelten allen, der ganzen Weltgemeinschaft. So auch die Seligpreisungen. Für Jesus Christus sind die Weisungen der Bergpredigt keine Utopien. Sie sind Auftrag und Verheißung an uns. Es geht Jesus um die Grundhaltung, mit der wir Menschen begegnen, bzw. um die Haltung, die eine echte Begegnung erst möglich macht. Das kann nicht immer und auf Anhieb gelingen, aber sie sollte ein Fundament, eine Richtschnur unseres Handeln sein.

Sicher, unsere moderne Welt ist oberflächlich betrachtet ganz anders. Wenn man die Seligpreisungen mit den Maßstäben unserer heutigen Gesellschaft formuliert, müssten sie heißen:

Selig die Reichen, denn sie können ihr Leben sicher und sorglos genießen.

Selig die Gesunden, denn sie können mit der Kraft ihres Körpers tun, was sie wollen.

Selig, die im Frieden leben, sie müssen nicht um ihr Leben und ihre Zukunft bangen.

Selig, die in der 1. Welt leben, denn sie können sich am Überfluss bedienen.

Selig, die Starken, denn sie können sich gegen andere durchsetzen.

Selig die Fröhlichen, denn sie können lachen und Spaß haben.

Selig, die Freiheit erfahren, denn sie leben ohne Angst und Repressalien.

Ja, unsere Welt setzt oberflächlich auf Leistung, auf Demonstration von Reichtum, Macht und Stärke. Dabei zieht die große Mehrheit der Menschheit immer wieder den Kürzeren. Wir haben uns fast schon daran gewöhnt, dass es auf der einen Seite die wenigen Gewinner und auf der anderen Seite die vielen Verlierer gibt.

Und da gibt es eine Gruppe von Menschen, die ganz anders waren und sind und deren Gedenken wir heute feiern: alle Heiligen. Ich möchte dies an einer heiligen Frau demonstrieren, die Sie wohl alle kennen: die hl. Mutter Teresa von Kalkutta. Diese kleine zierliche Frau,  war genau bei und mit denen, die das Evangelium seligpreist: den Armen, Trauernden, Hungernden, Dürstenden, Verfolgten und Geschmähten. In den Augen der Welt hat sie eine Karriere nach unten gemacht. Ihnen hat sie in der Nachfolge Christi ihr Leben verschrieben. Kein Luxus, kein Reichtum, keine Macht. Sie hat in ihrem Dienst wortwörtlich in den Dreck gepackt. Und doch hat sie ein erstaunliches Ansehen gewonnen. Wie viele Ehrungen und Auszeichnungen sie für ihr Lebenswerk erhalten hat, weiß wohl niemand ganz genau. Als sie den Nobelpreis erhielt, hat sie auf das Festbankett verzichtet und stattdessen um eine Spende für die Armen gebeten.

Liebe Schwestern und Brüder, wie gut, dass es die Seligpreisungen gibt. Jesus hat eine ganz andere Vorstellung vom Glück. Er stellt das gesellschaftliche System auf den Kopf. Gerade denen, die das Nachsehen haben, gibt Gott eine neue Chance, eine neue Verheißung. Sie scheinen regelrecht seine besonderen Auserwählten zu sein. Die Seligpreisungen sind keine Jenseitsvertröstungen, sie verwirklichen sich schon hier und jetzt, Stück für Stück. Wer in der Gesellschaft der Reichen, Schönen und Klugen nicht mehr mitkommt, wer sich nicht mit Ellenbogen nach oben boxen kann, dem bietet der Herr mit ihnen eine neue Lebensperspektive. Die hl. Mutter Teresa von Kalkutta hat ihr Leben unter diese Perspektive gestellt und sie hat reiche Frucht gebracht – materiell wie spirituell. Sie und mit ihr viele Heiligen haben das Gespür, dass die Liebe die Sprache des Himmels ist und dass der Sinn unseres irdischen Lebens darin liegt, diese Sprache zu erlernen. Danken wir allen Heiligen, die mit ihrem Leben gegen den Strom geschwommen sind und durch ihr Leben Christus verkündet haben, für ihr Vorbild. Amen." (pm) +++

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