Heute ist Reformationstag

Ein Tag, um über die Kirche in ihrer heutigen Form nachzudenken

Das Luther-Denkmal in Berlin
Foto: Christopher Göbel

31.10.2022 / REGION - Dass der Reformationstag und Halloween auf denselben Tag fallen, ist kein Zufall. Denn am Abend vor dem katholischen Feiertag Allerheiligen ("All Hallows Eve") hat Martin Luther im Jahr 1517 in Wittenberg seine 95 Thesen gegen die kirchlichen Missstände seiner Zeit verbreitet. Es ist übrigens nicht bewiesen, dass er sie wie oft behauptet, an die Tür der Wittenberger Kirche genagelt haben soll.



Damit stieß Luther einen Reformprozess an, der in der Spaltung der katholischen Kirche endete. Seither gibt es die evangelische Kirche. "Das Datum gilt als Beginn der Reformation, die weitreichende religiöse, politische, gesellschaftliche und kulturelle Folgen hatte", so die Evangelische Landeskirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW). Nicht nur die evangelische Kirche sei gegründet worden, sondern auch die katholische Kirche hätte sich seitdem "grundlegend reformiert".

500 Jahre Bibelübersetzung

Den Reformationstag als Gedenktag gibt es seit 1667, seinerzeit initiiert von Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen. In neun von 16 Bundesländern ist der Reformationstag seit einigen Jahren ein Feiertag, vor allem in Nord- und Ostdeutschland. In diesem Jahr gibt es eine Besonderheit: "Die Bibelübersetzung Martin Luthers jährt sich zum 500. Mal. Martin Luther hatte im Winter 1521/22 auf der Wartburg ein Projekt begonnen, mit dem er Weltgeschichte schreiben sollte: die Übertragung des Neuen Testaments ins Deutsche", so die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN).

"Für mich ist der Reformationstag ein Tag, der mich in besonderer Form herausfordert, über die Gestalt unserer Kirche nachzudenken. Welche Angebote und Initiativen unserer Kirche haben sich in der Vergangenheit bewährt und haben den Menschen Geborgenheit und Sicherheit gegeben? Was hat die Menschen in ihren Lebenslagen abgeholt und was hat das Evangelium gut zur Sprache gebracht? Diese Dinge gilt es zu bewahren und fortzuführen. Gleichzeitig müssen wir aber auch darüber nachdenken, was zu verändern ist an unseren Angeboten und in der Gestalt unserer Kirche", so Pfarrer Ingo Schäfer gegenüber O|N.

"Tag der Reflektion"

"Wir wollen eine Kirche bleiben, die nah an den Menschen dran ist. Dieser Tag ist auch immer ein Tag der Reflexion, ob wir das, was wir haben, auch so fortgeführt werden kann. Der Kernpunkt des Reformationstages ist für mich, dass wieder mehr über da Zentrum unseres Glaubens nachgedacht werden sollte. Und das Zentrum des Glaubens ist für mich, dass Gott jeden Menschen so annimmt, wie er oder sie ist - bedingungslos und ohne alle Vorleistungen. Diese Botschaft muss wieder mutiger verkündet werden", so Schäfer, der Pfarrer an der evangelischen Martinskirche in Bad Hersfeld ist.

Seine Frau Tamara, ebenfalls dort Pfarrerin, sagt: "Mit Reformation verbinde ich Dankbarkeit für eine evangelische Kirche, die vielfältig und doch geeint in Jesus Christus ist. Ihn und den einzelnen glaubenden Menschen hat Luther damals in die Mitte gerückt. Das gilt bis heute für alle kirchengemeindlichen Angebote, ob analog oder digital. In Zeiten des stetigen Wandels empfinde ich eine solche Konzentration hilfreich und ermutigend."

Gedenktag zur evangelischen Selbstbesinnung

"Am Reformationstag erinnern Protestanten in aller Welt an den Beginn der Reformation durch Martin Luther (1483-1546) und die Entstehung der evangelischen Kirche vor fast 500 Jahren. Ob Luther seine 95 Thesen am 31. Oktober 1517 tatsächlich an die Tür der Wittenberger Schlosskirche schlug, ist zwar historisch nicht gesichert. Die öffentliche Wirkung, die von der Anprangerung kirchlicher Missstände wie dem Ablasshandel ausging, ist jedoch unumstritten", so Pfarrer Frank-Nico Jaeger von der evangelischen Stadtkirche Bad Hersfeld auf O|N-Anfrage. "Luther wollte die Kirche erneuern und sie zum geistigen Ursprung der Botschaft des Evangeliums zurückführen. Weil sich die mittelalterliche Papstkirche einer Reform verweigerte, kam es zu der von Luther zunächst nicht beabsichtigten Bildung der evangelischen Kirche. Heute wird der Gedenktag auch als Gelegenheit zur evangelischen Selbstbesinnung verstanden" so Jaeger.

Reformationsgottesdienst mit der Bischöfin

Dr. Beate Hofmann, die Bischöfin der Evangelischen Kirche in Kurhessen-Waldeck (EKKW) feiert heute gemeinsam mit Pfarrerinnen und Pfarrern des Kooperationsraumes Fulda-Mitte um 19 Uhr den Reformationsgottesdienst in der Fuldaer Christuskirche.

Theatergottesdienst zu Frauen und der Reformation

Zwar nicht am Reformationstzag selbst, dafür aber am kommenden Sonntag, 6. November, steht in der Bad Hersfelder Stadtkirche ein Theatergottesdienst mit Musik auf dem Programm, der sich zwei starken Frauen der Reformation widmet: Katharina von Bora, der späteren Ehefrau Martin Luthers, und Sophie Scholl, der Widerstandskämpferin gegen das Nazi-Regime. Der Gottesdienst um 10 Uhr steht unter dem Titel "Hier stehe ich und kann nicht anders". Gestatet wird er von Pröpstin Sabine Kropf-Brandau, der Wiener Schauspielerin Firederike Krosigk und der Pianistin und Organistin Eva Gerlach aus Rotenburg/Fulda. Kurze, bewegende Szenen aus dem Leben der beiden Frauen, unter anderem mit Original-Zitaten, gestalten diesen Theatergottesdienst mit viel Musik. "Dabei spannen die Künstlerinnen das Gedenken an ihren mutigen Widerstand gegen das Nazi-Regime als Bogen von Luther bis in unsere Zeit", so die Stadtkirche Bad Hersfeld als Veranstalter. (Christopher Göbel) +++

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