Auch die AfD in Hessen wird jetzt beobachtet
Neuer Extremismusbereich: "Delegitimierung des Staates"
Archivfoto: O|N
05.09.2022 / WIESBADEN -
Die Zahlen im Rechts- und Linksextremismus sind gestiegen - das geht aus dem hessischen Verfassungsschutzbericht 2021 hervor, der am Montagmorgen von Innenminister Peter Beuth und dem Präsidenten des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) Hessen, Robert Schäfer, vorgestellt wurde.
Das extremistische Personenpotenzial in Hessen ist im Jahr 2021 zum vierten Mal in Folge gestiegen. Der hessische Verfassungsschutzbericht 2021 weist für Hessen ein Potenzial von 13.680 Extremisten aus, das entspricht einem Zuwachs von 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Zuwächse beim Personenpotenzial gab es im Berichtsjahr etwa im Bereich Rechtsextremismus (+50) und Linksextremismus (+170). Das islamistische Personenpotenzial sank hingegen (- 170).
Extremistische Gewaltdelikte gestiegen
Die Zahl extremistischer Gewaltdelikte stieg im Jahr 2021 auf 91 und erreichte damit den höchsten Stand der vergangenen fünf Berichtsjahre. Dabei hielten sich die Bereiche Rechts- und Linksextremismus mit jeweils 42 Delikten die Waage. Die Zahl extremistischer Straf- und Gewalttaten in Hessen, die im Berichtsjahr bei insgesamt 1.172 lag, war im Rechtsextremismus mit 946 Delikten mit großem Abstand am höchsten.Kampf gegen Hass, Hetze und Verschwörungstheorien im Netz
"Die Pandemie und der russische Angriffskrieg in der Ukraine haben altbekannte Verschwörungstheorien neu belebt und die irrwitzigsten neuen Ideologien sind dazugekommen. Eines haben diese Erzählungen aber gemeinsam: sie haben nichts mit der Realität zu tun. Dennoch verbreiten sich diese haltlosen Theorien virusartig weiter, vornehmlich über soziale Netzwerke wie Telegram. Neben der konsequenten strafrechtlichen Verfolgung bauen wir deshalb unser Präventionsangebot in Hessen aus. Das Präventionsnetzwerk wird einen wichtigen Beitrag leisten, um Verschwörungserzählungen den Nährboden zu entziehen. Indem wir gezielt aufklären und die Entstehungsgeschichten dieser falschen Theorien für jedermann offenlegen", so Peter Beuth.
Neuer Phänomenbereich "Delegitimierung des Staates"
Linksextremismus: Tendenz zur Konfrontation
Im Linksextremismus war im Jahr 2021 eine Tendenz von Szenemitgliedern zur Konfrontation mit Personen feststellbar, die als politische Gegner betrachtet werden. Dies zeigte sich insbesondere bei Kundgebungen, aber zum Beispiel auch in Form von "Outing"-Aktionen und Sachbeschädigungen. Bei einer Kundgebung am 1. Mai 2021 in Frankfurt kam es zum Beispiel mehrfach zu gewalttätigen Übergriffen auf Polizeibeamte, bei denen die Täter mit Fahnenstangen zuschlugen und mit Gegenständen warfen. Im Hinblick auf "Outing"-Aktionen, bei denen auch im Berichtsjahr Namen, Bilder und Adressen von vermeintlichen oder tatsächlichen Rechtsextremisten veröffentlicht wurden, bestehen konkrete Gefahren: Bei "Outing"-Aktionen werden die betroffenen Personen als "Ziele", auch für gewaltsame Aktionen, "markiert". Somit könnten "Outings" als Treiber von Gewalttaten wirken.Gefahr durch islamistischen Terrorismus ungebrochen
Die Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus ist trotz sinkender Zahlen im salafistischen Spektrum ungebrochen hoch. Jihadistische Gruppen verbreiteten über das Internet weltweit ihre Propaganda und Anleitungen zur Begehung von Anschlägen. Die Gefahr, dass sich in Europa allein handelnde Personen und Kleingruppen radikalisieren und versuchen, Anschläge zu begehen, besteht weiterhin. Vor dem Hintergrund, dass Vorbereitungen für islamistische Terrorhandlungen meist konspirativ getroffen werden, sind die Sicherheitsbehörden besonders aufmerksam und stehen im Austausch untereinander. Dabei spielt auch das im Jahr 2019 eingerichtete Hessische Terrorismus- und Extremismusabwehrzentrum (HETAZ) eine wichtige Rolle. Das HETAZ ist eine standardisierte Kommunikations- und Kooperationsplattform unter ständiger Beteiligung des Hessischen Landeskriminalamts (HLKA), der Staatsanwaltschaft Frankfurt – Abteilung Staatsschutz, der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt sowie des LfV Hessen.Beobachtung des hessischen Landesverbands der AfD
Am 8. März 2022 hat das Verwaltungsgericht (VG) Köln die Einstufung der Partei "Alternative für Deutschland" (AfD) als Beobachtungsobjekt ("Verdachtsfall") durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) bestätigt. Vor dem Hintergrund der Bewertung des BfV und der bestätigenden Entscheidung des VG Köln hat sich das LfV Hessen nach eingehender Prüfung dem Vorgehen des BfV angeschlossen. Das LfV Hessen beobachtet den hessischen Landesverband der AfD - als Teilstruktur des Bundesverbands - als Verdachtsfall und wird die gewonnenen Informationen gemäß seinem gesetzlichen Auftrag auswerten und an das BfV übermitteln. Zur Beobachtung des hessischen Landesverbands der AfD ist auch der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel innerhalb des gesetzlich festgelegten Rahmens zulässig.Der Verfassungsschutzbericht 2021 ist auch als Download verfügbar. (nb/pm) +++