Konstantin Wecker zu Gast

Er singt, weil er noch immer ein Lied hat . . .

Konstantin Wecker am Mittwochabend in Fulda. Im Hintergrund Fany Kammerlander.
Fotos: Carina Jirsch

01.09.2022 / FULDA - Jeder, der in den späten 1970-er/frühen 1980-er Jahren mit jugendlicher Rebellion im Herzen, aufrührerischer Literatur und dazu passender Musik aufwuchs - der kam an Konstantin Wecker nicht vorbei. Ob Demo gegen Nato-Doppelbeschluss, für die Umwelt, gegen Rassismus oder rechte Gewalt ("Willy"): Der inzwischen 75-Jährige hatte stets etwas zu sagen. Und hat es immer noch, wie am Mittwochabend im Museumshof in Fulda sehr deutlich wird. Musik ist für den Liebhaber italienischer Opern immer noch ein Weg, gemeinsam mit denjenigen zusammenzustehen, die mit ihren Überzeugungen die Welt verändern wollen. 



Wecker ist - im positiven Sinne - schon immer ein stimmgewaltiger Kraftbursche gewesen, dabei durchtränkt mit Poesie, wirkt inzwischen aber irgendwie zerbrechlich. Was freilich auch mit seinem Bandscheibenvorfall zu tun haben kann, mit dessen Folgen er noch immer zu kämpfen hat. Dabei kokettiert er damit, dass eigentlich ein Stuhl für ihn bereit stehe, doch Charles Aznavour habe einen solchen selbst im Alter von 90 Jahren nicht genutzt. . . 

Auch in Fulda kann sich der Münchner Liedermacher (welch' ein ungenügender Ausdruck für einen wie Wecker!) auf zwei kongeniale Mitstreiter verlassen, die ihn auf diesem musikalisch-poetischen und mitunter höchst persönlichen Ausflug begleiten: Neben seinem langjährigen Bühnenpartner am Klavier, Jo Barnikel, ist auch Fany Kammerlander bei diesem aktuellen "Trio"-Programm dabei. Die Ausnahme-Cellistin, die mit ihrem Spiel sowohl in der Klassik- als auch in der Popwelt zu Hause ist, steht ebenfalls seit Längerem mit dem 75-Jährigen auf der Bühne. 

Gemeinsam gestaltet das Trio einen langen, aber niemals langatmigen Auftritt, der mit viel Applaus honoriert wird. Das Programm - Musik und gesprochene Worte - ist geprägt von Wut und Zärtlichkeit, Mystik und Widerstand – und immer auch von der Suche nach dem utopisch Wunderbaren. Eine Suche, die Mut und Hoffnung zugleich machen soll. Das Publikum ist von Beginn an eingenommen von der Kunst auf der Bühne, hilft Wecker sogar dabei, sich zu erinnern, wann er das erste Mal im "wunderschönen" Museumshof zu hören war: 1994, während der "Uferlos"-Tour.  

Und über all' dem schwebt Weckers Anspruch von einst, zu singen, "weil ich ein Lied hab'" - anzusingen gegen all' die Widrigkeiten in dieser Welt, die dem Einzelnen das Leben oftmals so schwer machen oder die Gesellschaft in Bedrängnis bringen. So wie der Ukraine-Krieg mit all' seinen Folgen: Wecker hatte im April zu den Unterzeichnern eines offenen Briefes gehört, in dem Bundeskanzler Olaf Scholz aufgefordert wurde, der Ukraine keine schweren Waffen zu liefern. Darüber hinaus hatte der "lebenslange Pazifist" die veränderten Positionen der Grünen als "furchtbar" bezeichnet. Deutlich wird dies am Mittwochabend in seiner Zwiesprache mit einem Kind, das er mahnt: "Egal, was sie Dir versprechen, trag nie eine Uniform".

Und er erinnert in diesem Zusammenhang an sein größtes Glück, nämlich in einem tollen und toleranten Elternhaus aufgewachsen zu sein: Mit einer Mutter, die sehr gerne poetische Gedichte von Goethe, Schiller oder Novalis las, und einem Vater, der einst den Kriegsdienst verweigerte. Gemeinsam habe man "aus Freude am Musizieren" musiziert und dabei Liebesduette aus italienischen Opern gesungen. Bester Beweis ist eine Aufnahme aus 1959, auf der Wecker als "Violetta" (in Verdis La Traviata) zu hören ist. Ganz großes Kino, zum Ergötzen der Zuhörer!  

Der singende Poet und Balladenschöpfer, dem ein bayrischer Dickkopf zu Eigen ist, und seine beiden künstlerischen Wegbegleiter lassen in Fulda ein glückliches Publikum zurück, das am Ende weiß, dass es dem Trio einen zauberhaften Abend zu verdanken hat - eingebettet in die Reihe "Kultur.Findet.Stadt" von Stadt Fulda und "Kulturzentrum Kreuz". (Bertram Lenz) +++

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