Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen
Drei Windkraftanlagen und Ausnahme von Tötungsverbot rechtswidrig
Foto: NI, Harry Neumann
26.08.2022 / ALSFELD -
Mit einem Bescheid aus Dezember 2019 waren vom Regierungspräsidium Gießen (RP) in Alsfeld drei Windenergieanlagen (WEA) genehmigt worden, die zusammen mit weiteren drei WEA die "Windfarm Homberg" ermöglichen sollten. Das Verfahren war seinerzeit ein Präzedenzfall, weil erstmals in Hessen eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für die Tötung von Individuen der hessischen Verantwortungsarten Rotmilan und Schwarzmilan erteilt wurde, was die NI für nicht vereinbar mit geltendem Recht hält. Das teilt die Initiative in einer Pressemitteilung mit.
Vor allem deswegen habe der Umweltverband Naturschutzinitiative e.V. (NI) Klage eingereicht. Das Verwaltungsgericht Gießen (VG) habe in seinem Urteil vom heutigen Freitag die Genehmigung aufgehoben. Nun liege auch die umfangreiche Urteilsbegründung vor.
Das Gericht habe entschieden, dass ein Verstoß gegen das Tötungsverbot in Bezug auf den Rotmilan vorliege, der auch nicht durch eine Ausnahme nach dem Bundesnaturschutzgesetz legalisiert werden dürfe. Die Kammer habe - auch nicht aufgrund der Besonderheiten des konkreten Einzelfalls - keinen Anlass gesehen, für den Rotmilan von einem im sogenannten Helgoländer Papier als Fachkonvention empfohlenen Mindestabstand von 1.500 m zwischen Horst und Windenergieanlagen abzuweichen. Die dortigen Abstandsempfehlungen stellten laut Gericht "den aktuell besten wissenschaftlichen Erkenntnisstand" dar.
Stellungnahme der Naturschutzinitiative e.V. (NI)
Schon hieraus ergebe sich "mit Blick auf Artikel 20 a GG und Artikel 26 b der Verfassung des Landes Hessen (HV) eine herausragende Schutzverantwortung des Beklagten für diese Vogelart", so das VG Gießen.
"Folgerichtig hat das VG daher deutlich herausgestellt, dass das Tötungsverbot nach dem Bundesnaturschutzgesetz nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes Individuen bezogen sei. Der Schutz der Arten, der Biodiversität, der Lebensräume und des Klimas dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern müssen in der ökologischen Krise zusammen gedacht werden.
Wir fordern daher die Landesregierung auf, den Wäldern, dem Schutz der Arten, der Lebensräume und der Biodiversität die gleiche Bedeutung zukommen zu lassen wie dem Klimaschutz und die aktuellen Erkenntnisse der Wissenschaft zu berücksichtigen. Dies sei in diesem Vorhaben laut VG nicht erfolgt. Eine echte Energiewende kann nur gelingen, wenn sich der derzeitige klimapolitische Tunnelblick öffnet, das gesamte Ökosystem mit seinen vielfältigen Verflechtungen und Abhängigkeiten, naturbasierte Lösungen wie der Moorschutz, Wildnisentwicklung, Renaturierung degradierter Ökosysteme und das tatsächliche Einsparen von Energie in den Mittelpunkt gestellt wird", erklärte Harry Neumann, hessischer Landesvorsitzender der NI. (pm)+++