Zwischenruf von Matthias Witzel

Was für ein Geschiss um einen Kinderfilm! - Winnetou rotiert im Grab

Kind in einer der beliebtesten Verkleidungen
Symbolbild: pixabay

25.08.2022 / KINO, KINO - Schlechte Zeiten für Leute, die seit Jahrzehnten der deutschen Sprache mächtig sind und keinerlei Lust dazu verspüren, den persönlichen Wortschatz auf ihre alten Tage nochmal umzukrempeln, nur weil manche meinen, man müsse heutzutage jeden Mist und jede Mistin gendern.

Dieser übertriebene Hang, politisch korrekt sein zu wollen, macht selbst vor Kinderfilmen nicht halt. So steht der aktuelle Streifen "Der junge Häuptling Winnetou" unter Verdacht, der Unterdrückung der indigenen Bevölkerung Nordamerikas im 19. Jahrhundert - darf man heute eigentlich noch Indianer sagen? - nicht gerecht zu werden und "Klischees zu verharmlosen".



Die Debatte hat längst die Feuilletons der großen Zeitungen und die Hauptnachrichtensendungen im Fernsehen erreicht, nicht zuletzt auch deswegen, weil ein sozialmedialer Shitstorm den Ravensburger Verlag dazu bewog, ein Kinderbuch zum Film ab acht Jahren, ein Erstleserbuch, ein Puzzle sowie ein Stickeralbum schnell wieder vom Markt zu nehmen. Nun gilt "Halbblut" sicherlich nicht als die Oberperle in der Winnetou-Filmreihe der 60er Jahre. Trotzdem muss man Uschi "Apanatschi" Glas Recht geben, wenn sie sagt: "In den Filmen und Romanen gibt es Gute und Böse. Sie haben weiße oder rote Haut. Es bildet das echte Leben ab. Man soll doch aufhören, hier auf Biegen und Brechen einen Anlass zu finden, über etwas zu schimpfen."

Das Ganze erinnert mich ein wenig an eine Stadtverordnetenversammlung in Fulda vor einiger Zeit. Auf der Tagesordnung stand unter anderem eine Diskussion über das "N-Wort". Unwissend wie ich nun mal manchmal bin, habe ich im Vorfeld des Termins erstmal beim Pressesprecher des Magistrats nachgefragt, was denn bitte schön das böse "N-Wort" sei. "Neger", antwortete der Kollege, ohne groß drumrum zu reden. Und beide hatten wir in diesem Moment auf gar keinen Fall das Gefühl, etwas Falsches gesagt, geschweige denn irgendjemanden damit beleidigt zu haben.

Gut, wenn andere das anders sehen, kann oder sollte man sogar darüber reden. Wenn diese sprachlichen Begehrlichkeiten jetzt aber auch noch literarische Stoffe politisch korrekt ummodeln wollen, geht das zu weit. Karl May war sicherlich nicht der größte Chronist, wenn es um die sukzessive Unterdrückung - ich sag's jetzt einfach - der Indianer ging. Aber er war ein fantastischer Geschichtenerzähler mit einer durchaus humanistischen Weltsicht. Ihn umzuschreiben oder gar umzudeuten, wäre ein unlauterer Eingriff in sein Werk. Wenn ich zum Beispiel den "Huckleberry Finn" lese, möchte ich ja auch nicht, dass der Titelheld zusammen mit einem Farbigen namens Jakob den Mississippi runterschippert, sondern natürlich mit dem "Nigger Jim" - das ist der Zeit der Niederschrift geschuldet und deshalb auch viel authentischer. Da sollte man ruhig mal die Kirche im Dorf der Apachen lassen. (Matthias Witzel) +++

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