Im Rahmen des Stadtjubiläums
Heimatsammlung "Gruß in Ulrichstein" im Museum eröffnet
Fotos: Dieter Graulich
17.08.2022 / ULRICHSTEIN - Im Rahmen des Ulrichsteiner Stadtjubiläums "675 Jahre Stadtrechte und 50 Jahre Großgemeinde" eröffnete Bürgermeister Edwin Schneider eine weitere Ausstellung im Museum im Vorwerk. Gezeigt wird diesmal die Heimatsammlung "Gruß aus Ulrichstein" des Ulrichsteiner Martin Schmelz. Sie besteht aus über 300 alten Ansichtskarten und Postbelegen von Ulrichstein und seinen acht Ortsteilen.
Schneider beschrieb in seiner Begrüßung die allgemeine Geschichte der Bildpostkarte in Deutschland, die sich auch in den Ulrichsteiner Ansichtskarten aus über 125 Jahren widerspiegelt. Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts war ein zunehmendes gesellschaftliches Bedürfnis entstanden nach einem vereinfachten und raschen Informationsaustausch. Es gab mehrere Vorschläge zu diesem Thema, bis sich die österreichisch-ungarische Postverwaltung veranlasst sah, die ersten vorgedruckten Postkarten herzustellen und diese als Korrespondenzkarten 1869 postamtlich-offiziell einzuführen. Das Deutsche Reich folgte dann 1870.
Bis zum großen Durchbruch der Ansichtskarten in Deutschland dauerte es noch etwa bis 1896. Aus diesem Jahr stammt auch die älteste Ulrichsteiner Ansichtskarte, eine einfarbige Lithografie-Karte mit Stadtansicht, Schlossberg und Stadtwappen. Die zunehmende Industrialisierung im deutschen Kaiserreich brachte viele technische Neuerungen, eine enorme Mobilität und einen anwachsenden Tourismus mit sich und führte zu einem großen Anstieg des Schreibens und Versendens von Ansichtskarten.
Lithografie Anfang des 20. Jahrhunderts gängigste Drucktechnik
Von 1872 bis circa 1910 war dabei vor allem die Lithografie, die gängigste Drucktechnik für Postkarten. Nach 1910 kamen dann neue, billigere und schnellere Druckverfahren auf und ermöglichten eine regelrechte Massenproduktion an Ansichtskarten. Zur Jahrhundertwende waren in Deutschland über 30.000 Personen in der Ansichtskartenproduktion tätig. Hergestellt wurden jährlich etwa 750 Millionen Bildpostkarten mit unterschiedlichen Motiven. Die Zeit von 1897 bis 1918 bezeichnet man deshalb auch als das Goldene Zeitalter der Ansichtskarte.
Der Gewerbe- und Verkehrsverein Ulrichstein hat deshalb im Jahr 2019 wieder eine kleine Serie von neuen Ulrichsteiner Ansichtskarten gestalten lassen und herausgegeben. Diese neuen Karten sind auch im Museum im Vorwerk erhältlich.
Martin Schmelz erläuterte in seiner Begrüßung, wie seine Heimatsammlung entstanden und wie die Ausstellung strukturiert ist. Er sei selbst erstaunt gewesen, wie viele Ansichtskarten es doch von der kleinen Stadt Ulrichstein gebe und nannte dafür vor allem drei Gründe: der Ulrichsteiner Schlossberg mit der Burgruine. Was für Lauterbach der Strolch ist, sei für Ulrichstein der Schlossberg. Ob als Stadtansicht mit dem Schlossberg im Hintergrund, als Blick vom Schlossberg oder als Schlossbergturm allein, der Schlossberg mit der Burgruine ist das häufigste und beherrschende Motiv bei den Ansichtskarten.
Ein weiterer Grund: Das Ulrichsteiner Gastgewerbe. In den 1960er bis 1990er Jahren, der Blütezeit des Fremdenverkehrs in Ulrichstein als einem beliebten Erholungs- und Höhenluftkurort, hatte die Stadt ein umfangreiches Gastgewerbe mit zeitweise über 100.000 Übernachtungen im Jahr. Ob familiäres Gasthaus, kleine Pension, großes Erholungsheim, Ferienpark oder Jugendfreizeiteinrichtung, jedes Haus hatte damals seine eigenen Ansichtskarten, auch als Werbung für das eigene Haus herstellen lassen und verkauft.
Der größte Teil der Ulrichsteiner Ansichtskarten stammt aber aus dem Ulrichsteiner Geschäftshaus, Foto Kimpel. Schon die ersten Karten vor 1900 wurden von dem Verlag Heinrich Kimpel herausgebracht. Später dann, in den 1950er bis 1980er Jahren war es der Fotograf und Geschäftsmann Otto Kimpel, der die meisten Ulrichsteiner Ansichtskarten im eigenen Verlag oft selbst fotografiert und hergestellt hat. Zur Gliederung der vielen Karten hat Schmelz sie in thematischen Gruppen zusammengefasst und innerhalb der Gruppen chronologisch angeordnet.
Von den beschriebenen und versendeten, den sogenannten "postalisch gelaufenen" Karten, werden jeweils beide Seiten, die Bild- und die Textseite gezeigt. Mit einem kleinen Augenzwinkern werden dabei einzelne Textstellen nochmal seitlich in einer Sprechblase zitiert. Viele davon sind amüsant zu lesen, aber fast alle haben einen positiven Tenor. Ein Besuch der Ausstellung lohnt sich. Sie findet im Obergeschoss des Museums statt und wird dort noch bis Mitte November zu sehen sein. (gr)+++