Medizinischer Fachangestellten reicht`s

Fachkräftemangel: "Ich verdiene als ungelernte Aushilfe mehr als in meinem Job"

Ohne medizinische Fachangestellte läuft in den Arztpraxen nichts
Symbolbilder: Pixabay

19.08.2022 / REGION - Der Fachkräftemangel macht auch vor Osthessen nicht Halt, die Gründe dafür sind vielfältig. Eine, die ihrem Job den Rücken kehrte, ist Kathrin E. (Name von der Redaktion geändert) aus der Gemeinde Ebersburg. Die junge Mutter, die den Beruf der Medizinischen Fachangestellten vor Jahren lernte, hat sich eine neue Betätigung gesucht. Warum, erzählt sie in OSTHESSEN|NEWS.



Einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zufolge fehlen in Deutschland mehr als eine halbe Million Fachkräfte. Besonders ist der Personalmangel in der Gesundheits- und Krankenpflege sowie im Handwerk zu spüren.

Nach einem Leseraufruf meldete sich Kathrin E. in unserer Redaktion. Zwar werde man als Medizinische Fachangestellte oft von Patienten beschimpft und es sei ein harter sowie anstrengender Job, dennoch habe sie ihn gerne ausgeführt, erklärt sie eingangs. Acht Jahre lang sei sie zu Hause gewesen und habe ihre beiden Kinder betreut. Danach wollte sie zurück in ihren Beruf. "Als ich wieder angefangen habe, erhielt ich einen Stundenlohn von 12,50 Euro. Ich bin dann in eine große Arztpraxis nach Fulda gewechselt, dort bekam ich 12,86 Euro pro Stunde." Wirklich davon leben, so meint die Frau, könne man nicht. "Gerade jetzt, wo alles so wahnsinnig teuer geworden ist, ist das einfach viel zu wenig."

Kathrin E. ärgert es, wenn sie im Fernsehen beispielsweise streikende Flughafenmitarbeiter sieht. "Ich denke mir dann immer: Es gibt viele Menschen, die weit weniger Gehalt bekommen. Für oder über die spricht aber irgendwie nie jemand." Gerade die Medizinischen und Zahnmedizinischen Fachangestellten würden alles hinnehmen und den Mund nicht aufmachen. "So geht das nicht weiter, schließlich haben wir einen verantwortungsvollen und wichtigen Beruf."

Kathrin E. hat deswegen für sich die Reißleine gezogen: "Ich arbeite jetzt als Aushilfe in einer Schreinerei, verdiene dort ungelernt 13 Euro die Stunde." Eine Situation, die sicher nicht vollkommen zufriedenstellend sei. "Ich würde gerne zurück in meinem Job, aber eben unter besseren Bedingungen."

Unterstützung ihrer Forderungen erhält Kathrin E. von anderer Seite: Wie Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident der Landesärztekammer Hessen (LäkH), auf OSTHESSEN|NEWS-Anfrage erklärt, fordert die Landesärztekammer die Würdigung der Fachkompetenz Medizinischer Fachangestellter (MFA) und eine gesellschaftliche Aufwertung des Berufs. 

Schwierig, Fachkräfte zu halten

"Schon heute ist es für Arztpraxen ebenso schwierig, motivierte Auszubildende zu finden wie gut ausgebildete Fachkräfte zu halten. Die qualitativ hochwertige duale Ausbildung in Praxis und Berufsschule ist grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche spätere Tätigkeit als Medizinische Fachangestellte. Neben der persönlichen Eignung und guten Deutschkenntnissen von Bewerberinnen und Bewerbern sind mit dem Privatleben vereinbare Arbeitszeiten und eine angemessene Bezahlung wichtige Kriterien für den Beruf."

Das Gehalt von MFAs richte sich nach dem Gehaltstarifvertrag. Dort seien Details geregelt, außerdem im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Bereich Bund (TVöD-B), den Tarifverträgen von Kliniken oder Arbeitsvertragsrichtlinien für Angestellte kirchlicher Einrichtungen. "Angemessene Gehälter für MFAs müssen über das Honorar, das die Kostenträger den Ärztinnen und Ärzten zahlen, refinanziert und in der Höhe dringend angepasst werden", so Dr. Pinkowski.

"Seit Beginn der Corona-Pandemie vollbringen Medizinische Fachangestellte Höchstleistungen in der Patientenversorgung und bei der Impfkampagne. Gemeinsam mit den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten haben sie den Krankenhaussektor in den letzten beiden Jahren vor dem Kollaps bewahrt. Ihre herausragenden Leistungen müssen von der Politik endlich anerkannt und honoriert werden. Dies ist auch von entscheidender Bedeutung für die Zukunft der Patientenversorgung, denn nur wer sich anerkannt und wertgeschätzt fühlt, wird auch künftig den MFA-Beruf ergreifen." (mr) +++





Dr. med. Edgar Pinkowski
Foto: Peter Jülich

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