Lesung: Ingrid Steeger und Joern Hinkel
Liebesbriefe: Berührendes rund um Sehnsüchte und Schmerzen des Herzens
Fotos: Festspiele / Steffen Sennewald
16.08.2022 / BAD HERSFELD -
Es waren sehr berührende, auch nachdenklich stimmende 90 Minuten, an denen die Zuhörerinnen und Zuhörer am Sonntagabend im Kapitelsaal des Bad Hersfelder Museums teilhaben durften: Schauspielerin Ingrid Steeger und Festspiel-Intendant Joern Hinkel trugen "Herzgeschichten" vor: Liebesbrief(chen), niedergeschrieben auf Papier, und damit eine Ausdrucksform, die im Zeitalter von What's App inzwischen (leider) aus der Mode gekommen ist.
Die 75-jährige Steeger, mittlerweile in der Festspielstadt wohnhaft, hat die Texte selbst ausgesucht, das Programm erarbeitet und - jetzt kommt der anrührende Akzent - eine ganze Menge Biografisches einfließen lassen. Und so wird schnell deutlich, "dass Liebesgeschichten erst dann anrühren, wenn es Schmerzgeschichten sind". Mit dabei ist übrigens Steegers Hund "Lumpi", den sie vor fünf Monaten aus dem Tierheim geholt hat - und der "ganz lautlos ist, weil er nie bellt".
"Als sie einander acht Jahre kannten
(und man darf sagen: sie kannten sich gut),
kam ihre Liebe plötzlich abhanden.
Wie andern Leuten ein Stock oder Hut".
Mit dem Satz, gemünzt auf Marilyn Monroe, könnte vielleicht auch Ingrid Steegers Leben charakterisiert sein: "Von vielen begehrt, wenige nahmen sie ernst". Daraus entwickelt sich die nachdenklichste Phase der Lesung, wenn beispielsweise Peter Härtling zitiert wird ("Was ist Liebe?") oder auch Ernesto Cardenals "Gebet für Marilyn Monroe", in dem es abschließend heißt:
und den sie nicht erreichte (und vielleicht war es niemand
oder jemand, dessen Nummer nicht im Telefonbuch von Los Angeles steht)
antworte Du Ihrem Anruf!"
Lied von Liebe und Einsamkeit
Bekannt tragisch endete für die amerikanische Schauspielerin der "Wirklichkeit gewordene Traum in Technicolor", der man Beruhigungsmittel gab, "obwohl sie nach dem Leben hungerte". Und die doch "das alte Lied von Liebe und Einsamkeit" perfekt verkörperte.Dass Liebesgedichte nicht nur sehnsuchtsvoll und mitunter von Tragik behaftet sein müssen, zeigt schließlich das Ende des Abends auf: Da lassen dann Kurt Tucholsky, Karl Valentin und Joachim Ringelnatz grüßen und das Publikum ver- und bezaubert zurück. Verbunden mit der Erkenntnis, dass im Briefkasten vielleicht nicht nur Rechnungen, Mahnungen oder Werbeprospekte zu finden sein müssen. Sondern eben auch das eine oder andere Liebesbriefchen. (Bertram Lenz) +++