Von Rolle zu Rolle
Der Weg vom "Chimaerium" auf die Notre-Dame"-Bühne
Fotos: Christopher Göbel
31.07.2022 / BAD HERSFELD -
In diesem Jahr sind einige Statisten aus Bad Hersfeld mehr als üblich gefordert. Denn sie treten beim "Chimaerium" im Stiftspark auf, ehe sie in Windeseile zum Umziehen eilen, damit sie pünktlich zum Beginn von "Notre-Dame" auf der Bühne der Stiftsruine stehen können. OSTHESSEN|NEWS hat zwei von ihnen, Sieglinde Wenzel und Joachim Götz, einen Abend lang begleitet.
In der Statisterie wurde gefragt, wer sich vorstellen könne, beim "Chimaerium" mitzumachen. "Beim ersten Treffen hatten wir keine Ahnung, was uns erwarten würde", so Joachim. "Wir haben uns bei den ersten Übungen alle irgendwie unwohl gefühlt", fügt Sieglinde hinzu. Und doch haben sie sich dazu entschieden, im Stiftspark vor den "Notre-Dame"-Aufführungen Mischwesen aus Mensch und Tier zu spielen.
Das Menschsein nicht vergessen
Doch ehe es soweit war, probten Bille Behr und ihr Mann Stefan vom "Theater Anu" mit den Laienschauspielern alleine oder in Zweiergruppen. Sie konnten sich selbst aussuchen, welche Tierart sie verkörpern wollten. "Bei allem sollten wir uns aber auch daran erinnern, dass wir Menschen sind", so Sieglinde. Erste Fanfare: 30 Minuten
Dann werden Sieglinde, Joachim und die anderen geschminkt. Die Kostüme hängen hinter der Bühne bereit und jeder weiß, was er anziehen muss. "Wir haben jetzt die zehnte Vorstellung, da hat sich das alles schon eingespielt", so Joachim. Hinter der Bühne wird es langsam voller, denn alle anderen Statisten und die professionellen Darsteller:innen trudeln ein. Richy Müller ruft fröhlich "Hallo". Die Dresserinnen stehen bereit, um allen in die Kostüme zu helfen, letzte Handgriffe zu machen.
Zweite Fanfare: 15 Minuten
Von Aufregung ist hinter der Bühne wenig zu spüren. Der Betrachter hat den Eindruck, dass jeder weiß, was er wann und wo zu tun hat. Die Stimmung ist locker. "Die Aufführung beginnt in 15 Minuten", schallt es durch die überall im Backstage-Bereich angebrachten Laustprecher. Noch ist Zeit für einen Toilettengang oder um sich einen Becher Wasser zu holen. Langsam begeben sich alle zu den Auftrittsorten für die erste Szene von "Notre-Dame".
Dritte Fanfare: Es geht los
Sieglinde und Joachim entern mit ihren Kolleg:innen die Bühne. Alles ist durch wochenlange Proben einstudiert. In der zehnten Vorstellung hat sich schon Routine eingestellt. Plötzlich wird es hinter der Bühne wieder lebendig. Schauspieler und Statisten eilen durch die Gänge, um sich für die "Narrenzug"-Szene umzukleiden. "Jetzt bin ich Prosituierte", ruft Sieglinde und zieht sich die Perücke vom Kopf. Raus aus Rock und Jacke, rein in das dünne rosa Kleidchen und den Fellmantel. Dann nimmt sie wieder auf Wilmas Schminkstuhl Platz. Diese hat schon Sieglindes neue, blonde Lockenpracht zur Hand und platziert sie auf ihrem Kopf. Kaum fertig, ruft Inspizient Thomas Schäfer per Durchsage zum nächsten Auftritt. Im Zug der Narren folgen Sieglinde, Joachim und die anderen Quasimodo wieder auf die Bühne, um ihn zum König der Narren zu küren. Bis zum Ende des Stückes sind noch ein paar Umzüge nötig. Beim Schlussapplaus sind alle noch einmal auf der Bühne, ehe sie sich für den Tag mit dem Entledigen von Maske und Kostüm von ihren Rollen verabschieden. Und das alles tun sie bis zum Ende der diesjährigen Spielzeit beim "Chimaerium" und bei "Notre-Dame" noch dreizehn Mal. (Christopher Göbel) +++