Gedenkveranstaltung auf Point Alpha
"Grenzen gehören auf den Müllhaufen der Geschichte"
Fotos: Privat
19.07.2022 / RASDORF (RHÖN) -
Vor 70 Jahren riegelte das DDR-Regime die Grenze ab. Fast 40 Jahre lang litten die Menschen in Ost und West unter dieser menschenverachtenden Maßnahme. Die Grenze zerschnitt, was bis dahin zusammengehörte: Familien, Freunde, Kultur- und Naturräume.
Im Rahmen einer Gedenkveranstaltung wurde jetzt im US-Camp der Gedenkstätte Point Alpha an dieses dramatische Ereignis und seine verheerenden Folgen erinnert. "Grenzen, die töten, Grenzen, die abgrenzen und ausgrenzen, sind Verbrechen, sie sind Unrecht und Sünde zugleich.
Dramatische Auswirkungen
"Die Grenzschließung hatte dramatische Auswirkungen auf die Menschen. Man war plötzlich ausgesperrt, abgesperrt, weggesperrt", erinnerte Dücker. "Ein System, das sich selbst "humanistisch", friedlich", "demokratisch" nannte, aber nahezu zwei Generationen lang für nichts anderes sorgte als für Angst, Schrecken und Tod." Als beschämend und einen himmelschreienden Skandal bezeichnete er es, dass bis heute nicht die genaue Zahl der Grenztoten bekannt sei. Auch 33 Jahre nach dem Fall der Grenze müsse man sich mit groben Schätzungen zufriedengeben.Im Zusammenhang mit der Grenzabriegelung erinnerte Berthold Dücker an die Zwangsaussiedlungen. Die Bewohner des Grenzgebietes wurden registriert und viele von ihnen ins Landesinnere umgesiedelt. "Allein in Thüringen mit seinen 750 Kilometern innerdeutsche Grenze wurden 4200 Menschen offen als politisch unzuverlässiges "Ungeziefer" deportiert. In seinen Ausführungen ging Dücker auch auf das Schicksal der geschleiften Höfe ein, die nicht zur Sicherheit der Eigentümer dem Erdboden gleichgemacht wurden, sondern weil die uralten Gehöfte vielmehr das freie Schussfeld behinderten und man natürlich keine Zeugen für die Verbrechen an der Grenze gebrauchen konnte. Es sei den Heimat-Chronisten Bruno Leister und Wolfgang Christmann zu verdanken, dass sie mit ihrem Buch die Erinnerung an dieses dunkle Kapitel der DDR-Grenzgeschichte wachhielten.
Kein Widerspruch möglich
"Den Zwangsausgesiedelten wurde eigentlich nie gesagt, was ihnen vorgeworfen wird und sie konnten keinen Widerspruch einlegen", bestätigte Dr. Franziska Kuschel, Leiterin des Arbeitsbereichs Wissenschaft von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Kuschel würdigte die Bildungs- und Forschungsarbeit der Gedenkstätte Point Alpha und betonte, das Wissen der Zeitzeugen zu vermitteln, sei wichtiger denn je." "Die Erinnerung zu teilen, sei das, was man als Nachgeborener noch machen könne", sagte Dr. Peter Wurschi, ThüringerLandesbeauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, "um diese Bilder lebendig zu halten und um richtige Entscheidungen für die Zukunft treffen zu können."
Bis zum am 9. November 1989 war die Grenze für viele Alltag und noch heute zieht sie ihre Spuren in den Köpfen der Grenzbewohner – im Osten wie im Westen. "Es ist wichtiger denn je, dass sich die Zivilgesellschaft mit diesem Kapitel der Historie auseinandersetze, meinte die Staatssekretärin für Kultur im Freistaat Thüringen, Tina Beer. Die stellvertretende Vorsitzende der Point Alpha Stiftung forderte zudem, die politische Bildung der Bürger weiter zu stärken. Zuvor hatten am Denkmal der deutschen Teilung und Wiedervereinigung die thüringische und hessische Landesregierung, die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und die Point Alpha Stiftung Kränze niedergelegt zum Gedenken an die Opfer der Teilung und ersten Zwangsaussiedlungsaktionen. "Das Einzige, was die innerdeutsche Grenze von 1952 bis 1989 den Menschen zugefügt hat, war Leid", rekapitulierte Benedikt Stock, Geschäftsführender Vorstand der Point Alpha Stiftung. Die Stiftung werde weiterhin alles dafür tun, die Schicksale von damals zu erforschen, umnoch unbekannte Geschichten der Öffentlichkeit bekanntzumachen.
Die Gedenkveranstaltung auf Point Alpha ist Teil der Themenreihe "Der Schnitt – Die Grenzabriegelung der DDR 1952", die von den Mitgliedern des Thüringer Geschichtsverbundes und der Stiftung Naturschutz Thüringen präsentiert wird. Gemeinsam mit den Menschen will man die einstige innerdeutsche Grenze erkunden und fragen nach dem Leben damals, heute und zukünftig im ehemaligen Sperrgebiet und Zonenrand. Musikalisch umrahmt wurde der Ablauf der
Gedenkveranstaltung auf Point Alpha von der Gruppe "Sax and More" unter Leitung von Martin Genßler. Weitere Infos gibt res auf www.pointalpha.com. (pm) +++