Schiller Balladen Rave

Philipp Hochmair gibt Sturm und Drang eine ganz neue Bedeutung

Philipp Hochmair rezitierte Schiller-Balladen, wie man sie vorher nicht erlebt hat.
Fotos: Christopher Göbel

07.07.2022 / BAD HERSFELD - Worte schießen wie Blitze durch die Stiftsruine, elektrische Klänge untermalen die Wort-Kaskaden, die Philipp Hochmair mit seinem "Schiller Balladen Rave" in den Raum wirft. Das Publikum lässt sich mitreißen von den Gedichten Friedrich Schillers, wie sie zuvor noch nie gehört wurden.



Hochmair, bekannter Schauspieler aus Film und Fernsehen, kam in diesem Jahr erneut zu den Bad Hersfelder Festspielen. In 2021 begeisterte er mit "Jedermann reloaded" bereits das Bad Hersfelder Publikum. Mit nur sechs Balladen gestaltete der Schauspieler, dessen Energie nahezu unendlich schien, einen 120-minütigen Abend.

Unterstützt wurde er dabei von seiner Band "Die Elektrohand Gottes". Jörg Schittkowski, Rajko Gohlke und Bastien Eiffler erzeugen mit Synthesizer, Theremin, E-Drums und anderen elektronischen Instrumenten Klangteppiche, die mal sphärisch, zumeist aber mit schnellen Beats in Verbindung mit den rezitierten Balladen eine Einheit ergaben. Und das, obwohl man sich die mehr als 200 Jahre alten Texte vorher kaum in diesem neuen Gewand hätte vorstellen können.

Verstärkung durch Wiederholung

Schon mit "Der Ring des Polykrates" wurde klar, wie der Abend verlaufen würde. Philipp Hochmair rezitierte nicht einfach, er fühlte, schrie, wand sich manchmal unter der Kraft der Worte. Die letzte Zeile eines Verses wiederholte er oft dreimal. Wer die Balladen kannte, wusste deren Inhalt zu erfassen, wer nicht, ließ sich vom Drive und den Beats tragen, fast schon in einen Trance-Zustand aus Klang, Wort und Sinn versetzen. Der Einsatz des Mappings, also die Projektion von Bildern und Mustern an die Ruinenwände, unterstützte dieses Empfinden visuell.

Die Atmosphäre wie auf einer Baustelle, Hochmair zunächst im Soldaten-Outfit mit Bauarbeiterhelm, zwischen zwei Mikrofonen agierend und manches per Megaphon rufend, trug dazu bei, den im Deutschunterricht auswendig gelernten Schiller zu vergessen. "Zu Dionys dem Tyrannen, schlich Damon, den Dolch im Gewande, ihn schlugen die Häscher in Bande. 'Was wolltest du mit dem Dolche, sprich!' entgegnet ihm finster der Wüterich. 'Die Stadt vom Tyrannen befreien!' 'Das sollst du am Kreuze bereuen'" beispielsweise entfaltete in Hochmairs Interpretation eine ganz neue Sichtweise. 

Ein bisschen Goethe am Schiller-Abend

Wenn es um Balladen der deutschen Klassiker geht, dann darf neben der "Bürgschaft" und der "Glocke" ein Gedicht keinesfalls fehlen, auch wenn es von Schillers Kollegen Johann Wolfgang von Goethe stammt: "Der Erlkönig". Auch diesen brachte der Schauspieler in seinem außergewöhnlichem Stil auf die Bühne, dramatisch am Ende - denn "in seinen Armen, das Kind war tot. In seinen Armen, das KIND war tot. In seinen Armen, das Kind war TOT!"

Daneben gab Hochmair noch "Der Handschuh" und das epische Gedicht "Der Taucher", ehe am Ende - und sozusagen als Höhepunkt - "Die Glocke" stand. "In unserem Notre-Dame-Jahr und in unmittelbarer Nähe zur ältesten Glocke Deutschlands könnte es kaum einen besseren Rahmen geben", hatte Festspiel-Intendant Joern Hinkel bereits im Vorfeld gesagt. Und die Notre-Dame-Glocke kam dann auch herabgeschwebt. Das Publikum wird ihm verzeihen, dass er zum Schmunzeln "Walle, walle, manche Strecke" und "Das ist des Pudels Kern" schnell mal Schillers "Glocke" zugedachte. Auch Goethe hätte es ihm wohl nicht übel genommen.

Das Publikum applaudierte lange und frenetisch und bedankte sich damit für einen Schiller-Abend, der sicherlich lange im Gedächtnis bleiben wird. (Christopher Göbel) +++

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