Bad Hersfelder Festspiele

Matinee weckt die Lust aufs Sommertheater in der Stiftsruine

Bei der Festspiel-Matinee stellte sich ein Teil des Ensembles dem Bad Hersfelder Publikum vor
Alle Fotos: Christopher Göbel

28.06.2022 / BAD HERSFELD - Die Eröffnung der Bad Hersfelder Festspiele steht kurz bevor. Die Hersfelder Zeitung hatte deshalb wie vor Corona zu einer Matinee in die Stiftsruine eingeladen, um den rund 1.000 Zuschauerinnen und Zuschauern einen Einblick in die diesjährigen Produktionen zu geben.



"Die Festspiele finden auch in diesem Jahr nicht unter normalen Bedingungen statt", sagte Markus Pfromm, Verlagsleiter der HZ, der gemeinsam mit Redaktionsleiter Kai A. Struthoff und Festspiel-Intendant Joern Hinkel die Matinee am Sonntagvormittag moderierte.

Mit der "Yawp"-Szene aus "Der Club der toten Dichter" stellte sich Michael Rotschopf vor. Er teilt sich die Rolle in diesem Jahr mit Götz Schubert, der wegen anderer Verpflichtungen nicht alle Aufführungen spielen kann. "Ich habe mir keine Aufnahme mit Götz angesehen", so Rotschopf im Kurz-Interview mit Struthoff. Er könne sich und Schubert also nicht vergleichen und legt die Rolle für sich neu an. "John Keating entspricht meinem derzeitigen Interessensgebiet sehr", sagte Rotschopf. Zur Vorbereitung hat er Gedichte von Walt Whitman gelesen, einem amerikanischen Dichter, den Keating im Stück oft zitiert und erwähnt. Seine Texte lernt Rotschopf gerne beim Spazierengehen mit seinem Hund Wanja - der leider inzwischen taub ist. "Ob es am Textlernen liegt, weiß ich nicht", scherzte der Schauspieler.  "Die Hälfte der Schüler ist in diesem Jahr neu", sagte Hinkel.

Drei Musicalpreise abgeräumt

Die zweite Wiederaufnahme dieser Saison ist das Musical "Goethe!". Die neue Hauptdarstellerin Iréna Fleury kam nicht allein zum Interview auf die Bühne, sondern brachte ihren knapp einjährigen Sohn Theodor, genannt Teddy, mit. Der erkundete unter anderem den Bühnenrand - sehr zum Gefallen des Publikums. "Es ist jetzt meine Aufgabe, mein Engagement und Teddy zu verbinden", so Flury. Den Regisseur Gil Mehmert kennt sie bereits von früheren Produktionen, in Bad Hersfeld steht sie aber zum ersten Mal auf der Bühne. "Ich sehe mich mit Teddy in einer ähnlichen Situation wie Lotte im Musical, die sich um acht Geschwister kümmern muss. Ich habe allerdings nur ein Kind." 

Das Musical hat nach der Welt-Uraufführung bei den Bad Hersfelder Festspielen 2021 in drei Kategorien des "Deutschen Musicalpreises" gewonnen. "Hier verbindet sich ein klassisches Thema mit moderner Musik", sagte Hinkel. Dass in diesem Jahr zwei Wiederaufnahmen auf dem Programm stehen, erläuterte der Intendant mit der Corona-Pandemie sowie aus organisatorischen und finanziellen Gründen. In "Goethe!" sind acht Rollen neu besetzt.

Klassische Komödie im Eichhof

Im Kleinen Freilichttheater Schloss Eichhof wird in diesem Jahr wieder eine klassische Komödie gespielt: Ben Johnsons "Volpone". Regie führt Christine Bossert. Gemeinsam mit Mathias Renneisen spielte sie zwei kurze Szenen, die bei manchem Zuschauer die Lust weckten, sich das diesjährige Eichhof-Stück anzusehen. "Was lässt die Menschen zu Biestern werden?", stellte Bossert die Frage, die sie dazu bewogen hat, die Komödie eines Zeitgenossen William Shakespeares nach Bad Hersfeld zu bringen. Sie ist zudem Künstlerische Betriebsdirektorin. "Wir im Künstlerischen Betriebsbüro sind die Schnittstelle zwischen allen an den Festspielen Beteiligten", erklärte die ausgebildete Schauspielerin.

Joern Hinkel erwähnte dann noch das Rahmenprogramm, in dem 2022 unter anderem Philipp Hochmair, Cassandra Steen und Julia Engelmann auftreten. Die Abschlussgala steht in diesem Jahr unter dem Motto "Irgendwo auf der Welt" und soll sich laut Hinkel thematisch Musikern widmen, die aus ihrer Heimat fliehen und im Exil leben mussten. "Auf der Bühne in Bad Hersfeld wird freies und unzensiertes Theater gespielt, wo jeder sagen kann, was er möchte", so Hinkel im Angedenken an den Krieg in der Ukraine. Die Gala moderiert Ilja Richter und als Gast wird Sona MacDonald dabei sein. Beide standen in der Vergangenheit bereits auf der Bad Hersfelder Festspielbühne.

Bad Hersfeld wird digital zu Paris

Und dann - endlich - ging es um die Neu-Inszenierung, die wohl mit der größten Spannung erwartet wird: "Notre Dame" nach dem Roman von Victor Hugo. Cathrine Dumont (Esmeralda), Matthias Schlung (Pierre Gringoire) und Karla Sengteller (Ziege) spielten die Hochzeitsnacht-Szene, ehe Robert Nickisch und das gesamte Ensemble die Glockenszene interpretierten. Was bei Tageslicht nicht möglich ist, wird für die abendlichen "Notre Dame"-Zuschauer sichtbar: Das Mapping. Mittels dreier Projektoren und digitaler Technik kann der Stiftsruinenraum in das Innere der Pariser Kathedrale Notre Dame verwandelt werden. Auch dieses für Bad Hersfeld neue Gestaltungsmittel wird vom Publikum mit Spannung erwartet.

Für Familien und Kinder wird in diesem Jahr "Der kleine Glöckner" gespielt. Es wird eine gestraffte Version von "Notre Dame" sein, für die es seit kurzem auch ein Familienticket gibt, bei dem Eltern oder Großeltern mit Kindern und Enkeln einige Euro sparen können, wenn sie das Familienstück besuchen möchten.

Mit viel Applaus verabschiedete das Publikum nach der "Rock'n'Roll-Szene" aus dem "Club der toten Dichter" die Akteure der Matinee, die Lust auf die am 1. Juli beginnende Saison machte - auch wenn sie in diesem Jahr ohne Live-Musik auskommen musste. Auf www.bad-hersfelder-festspiele.de gibt es den kompletten Spielplan inklusive Rahmenprogramm sowie die Möglichkeit, Tickets für die 71. Bad Hersfelder Festspiele zu bestellen. (Christopher Göbel) +++

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