"You say, it’s your Birthday"
Der Tag, an dem ich Paul McCartney traf: Der Ex-Beatle wird heute 80
Foto: Pixabay
18.06.2022 / FULDA / SIEGEN -
Zum 80. Geburtstag von Paul McCartney könnten wir an dieser Stelle eine Würdigung seines Lebens und Wirkens abfeiern, die sich gewaschen hat. Das wäre aber langweilig, weil das zurzeit jedes Blatt, jeder Sender, jedes Magazin tut. Also erzählen wir lieber eine Geschichte, die ich mein Leben lang nicht vergessen werde. Zum besseren Verständnis: Ich halte mich selbst für einen der größten Beatles-Fans von ganz Osthessen – wenn’s reicht.
Rückblende, 30. April 1999: Es hatte schon etwas Absurdes – etwa so, als wenn die Rolling Stones plötzlich in der "Alten Piesel" in Dirlos auftreten würden. Das mit Attraktionen nicht gerade gesegnete Siegerland wartete mit einer Sensation auf: Ex-Beatle Paul McCartney stellte im Kunstforum Lÿz in Siegen erstmals 73 Werke seines 500 Öl- und Acrylbilder umfassenden Œuvres aus. Mittendrin im Getümmel auch ein zweiköpfiges Reporter-Team aus Fulda: Fotograf Rolf-Günter Herchen alias Charlie Rolff und ich.
"Paul McCartney paintings": Über die Probleme, an einen Superstar ranzukommen
"Ich hab‘ dicke Füß‘ und die Schnauze voll!" Für Fotografen muss Paul McCartney eine Katastrophe sein. Zumindest waren aus der mehrere hundert Köpfe zählenden Menge, die sich zur Ausstellungseröffnung rund ums Kunstforum Lÿz versammelt hatte, trotz überwiegend guter Stimmung hie und dort auch wilde Flüche zu vernehmen. Denn die Hauptbeschäftigung der Schaulustigen, der Fans, Autogrammjäger und Journalisten bestand an diesem sonnigen Frühlingstag aus – Warten.Kampf um die besten Plätze: Über die Vorzüge von Ellenbogen
"Nur 82 Bildreporter dürfen rein. Mehr sind in den Ausstellungsräumen feuerpolizeilich nicht zugelassen." Geoff Baker, McCartneys kompromissloser Presse-Manager, hat seine Sache fest im Griff. Drei Minuten Foto-Shooting. "Thank you, that’s it." Eine magere Ausbeute für die mit schweren Kameras behängten Männer und Frauen. Jetzt sind wir von der schreibenden Zunft dran.Auge in Auge oder Die unvermeidliche Frage: "Warum Siegen?"
Ich melde mich von Anfang an und wundere mich über die hochgeistig-banalen Fragen der internationalen Fachpresse um mich herum. Wollen die denn nicht wissen, warum der größte Pop-Künstler aller Zeiten seine Bilder ausgerechnet am Arsch der Welt ausstellt?Die dritte Frage ist schließlich meine. Geoff Baker erteilt mir das Wort, ich schlucke meinen Kloß im Hals runter, blicke Paul McCartney tief in die Augen und frage: "Paul, why do you show your pictures in Siegen and not in New York or in London or in Paris?" McCartney wiederum blickt mir ebenfalls (vielleicht nicht ganz so tief) in die Augen und erklärt, dass der Kulturreferent von Siegen sich Jahre lang um ihn als bildenden Künstler bemüht habe.
Dieser große Moment wird nicht nur in der McCartney-Biografie von Harald Martin beschrieben, der von der "unvermeidlichen Frage: Warum Siegen?" spricht, er ist heute noch im Netz nachzulesen und – besser noch – nachzuhören unter https://www.siwikultur.de/pmc/. Leider hat man dort irgendwann meine Anrede "Paul" einfach rausgeschnitten. Für einen Kulturredakteur aus der osthessischen Provinz ziemt es sich offensichtlich nicht, Sir Paul McCartney einfach mal so zu duzen.
"The very last question!" Geoff Baker, der die Pressekonferenz mit Argusaugen überwacht, kennt keine Gnade. Und kaum ist McCartney aufgestanden, da wird er auch schon abgeschirmt und verschwindet nach hinten durch einen Gang. Sehnsüchtig schaue ich ihm hinterher: "Bye Paul, war schön mit dir!" (Matthias Witzel) +++
Archiv-Fotos (2): Charlie Rolff