Brücken die verbinden
Renovabis-Konzert im Dom: Musikalische Schätze aus Ost und West
Alle Fotos: Martin Engel
22.05.2022 / FULDA -
"Als ich ein kleiner Junge war, hatte ich eine Vorliebe für Brücken. Diese Liebe ist mir bis heute geblieben", so eröffnete Weihbischof Dr. Karlheinz Diez das Renovabis-Konzert im Fuldaer Dom. Um dann auf die Brücke zu sprechen zu kommen, die im Kalten Krieg zwischen Deutschland Ost und West eine ganz besondere Bedeutung hatte.
Brücken des Friedens
"Heute ist die Glienicker Brücke einfach eine Brücke, die über die Havel von Berlin nach Potsdam führt", fuhr der Bischof fort. Dies sei ein wunderbares Zeichen dafür, dass aus schwierigen Situationen Brücken des Friedens werden können. Und Musik sei ganz besonders geeignet dafür, zum Verständnis der Völker beizutragen. Damit waren wir beim Thema der diesjährigen Pfingstaktion und dem Konzert im Dom. Das Floridante Barockorchester kam aus Estland, die beiden Chöre aus Fulda, und die Komponisten waren und sind vor allem im Osten tätig.Ein Lob für die Musiker
Wenn im Hohen Dom zu Fulda Konzert auf dem Programm steht, kann man fast sicher sein, dass es ein musikalischer Leckerbissen wird. So war es auch diesmal. Chöre, Orchester, Solisten – sie bildeten eine Einheit, obgleich man nicht gerade viel gemeinsame Probenzeit gehabt hatte, auch wenn die ‚wenigen Stunden‘, die Dr. Ingenlath nannte, wohl ein wenig untertrieben sind. Dass es so gut wurde, ist der Professionalität aller Beteiligten zu verdanken. Das 2014 in Tallinn gegründete Floridante Barockorchester hat sich auf Alte Musik spezialisiert. Es begleitete präzise und hellwach. Mehr über das Orchester erfahren Sie HIER.Beide Chöre –Domchor und JugendKathedralChor – sangen seit langem endlich wieder einmal gemeinsam in einem Konzert. Was war das für ein erhebender Anblick, die ca. 90 Sängerinnen und Sänger im Dom auf ihrer Konzert-Treppe zu sehen! Genauso beglückten mich die vielen jungen Gesichter im Chor – ein Zeichen dafür, dass er immer wieder neue, junge Talente heranzieht und musikalisch ausbildet. Die Aufgabe in diesem Konzert war nicht einfach, denn keins der Werke gehört zum vertrauten Repertoire.
Jan Dismas Zelenka, Dixit Dominus und Nisi Dominus
Gleich zwei Werke des böhmischen Barockkomponisten Zelenka (1679-1745) wurden aufgeführt. Dem "Dixit Dominus", ZWV 66 liegt Psalm 109 zugrunde, das Werk entstand wahrscheinlich um 1725. Zelenka hat insgesamt vier Psalm-Zyklen geschrieben, jeder beginnt mit einem "Dixit Dominus", eines davon gilt allerdings als verschollen. Zelenka, ein Zeitgenosse Bachs, arbeitete die meiste Zeit seines Lebens für die Dresdner Hofkapelle. Er ist ein Komponist, der allmählich wiederentdeckt wird, es gibt einige neue Einspielungen seiner Werke. In "Dixit Dominus" ist die Musik energiegeladen und vorwärtsdrängend.Das "Nisi Dominus" ZWV 92, dem Psalm 127 zugrunde liegt, entstand um 1726. Zelenka ‚baut‘ musikalisch das Haus des Herrn, so wie es auch im Text geschrieben steht – wie es überhaupt typisch für ihn ist, Psalmentexte quasi wörtlich musikalisch zu deuten.
Arvo Pärt, Veni Creator Spiritus
Pärt (geb. 1935) ist einer der bedeutendsten Komponisten sakraler Volksmusik. Sein Arbeiten in der 12-Ton-Technik mindestens so sehr wie der religiöse Inhalt seiner Stücke ließen ihn schnell in Konflikte mit dem sowjetischen Regime kommen. 1980 emigrierte Pärt nach Wien, erst 2008 kehrte er nach Estland zurück.Rihards Dubra und Francesco Durante
Vom lettischen Komponisten Rihards Dubra (geb. 1964) erklang das "Ave Maria I". Das Stück entstand 1994 und verzaubert durch die schier schwebenden Stimmen des Chors. Es ist eine sehr zarte Musik, die dennoch kraftvoll an- und abschwillt, und in der sich Echoeffekte einstellen. Das sehr kurze Stück ist wie eine gesungene Meditation, die sehr feierlich endet.Von Francesco Durante (1684-1755), einem Komponisten des venezianischen Barock, haben wir im Passionskonzert der Chöre am Dom bereits die "Lamentationes Jeremiae" hören dürfen, heute nun erklang das "Magnificat in B", wohl Durantes bekanntestes Werk. Lange hat man es seinem Schüler Pergolesi zugeschrieben. Es ist religiöse Musik, die zugleich sehr sinnlich und dramatisch ist.
Ēriks Ešenvalds und Pēteris Vasks
Die beiden lettischen Komponisten Ešenvalds (geb. 1977) und Vasks (geb. 1946) zählen neben Pärt zu den bedeutendsten des Baltikums. Von ihnen erklangen Kompositionen, die in Fulda ganz sicher noch nie zuvor zu hören waren. Vasks hat immer wieder die Leidensgeschichte des lettischen Volks im von ihm so benannten "Völkergefängnis Sowjetunion" zum Gegenstand seiner Kompositionen gemacht. "The fruit of silence" entstand 2013 und beruht auf einem Friedensgebet Mutter Teresas:Die Frucht der Stille ist das Gebet. Die Frucht des Gebets ist der Glaube. Die Frucht des Glaubens ist die Liebe.
Die Frucht der Liebe ist das Dienen. Die Frucht des Dienens ist der Friede.
So einfach und ergreifend wie der Text des Gebets ist auch die Musik, sehr berührend, und sehr elegisch.
Ešenvalds "This is my father’s world” basiert auf einem Hymnus von Maltbie D. Babcock, geschrieben wurde er 1901. Kaum erklingen die ersten Töne, denkt man ‚England‘ und hat sofort die wunderbaren Even Songs im Ohr, die man auf der Insel genießen kann. Ešenvalds vertont den Hymnis als A-cappella-Gesang – die Stimmung ist bukolisch und heiter, man fühlt sich rundum geborgen. Der Text feiert die Schöpfung:
This is my father's world,
And to my listening ears
All nature sings, and round me rings
The music of the spheres.
This is my Father's world:
I rest me in the thought
Of rocks and trees, of skies and seas,
His hand the wonders wrought.
Von einer jungen Choristin habe ich mir sagen lassen, dies sei das Lieblingsstück vor allem der jungen Sängerinnen und Sänger gewesen. Ich kann’s verstehen – und muss an ein ganz anderes, in seiner Stimmung aber ähnliches Lied denken, das ebenfalls die Schöpfung preist und mich schon mein ganzes Leben begleitet, Cat Stevens‘ "Morning has broken".
Johann Valentin Meder und Martin Mayer
Das sind beides Komponisten, die man heute kaum noch kennt. Meder (1649-1719) war ein dt. Komponist und Organist, der in vielen Orten wirkte, zuletzt in Tallinn und Riga. Sein "Wünschet Jerusalem Glück" entstand in Danzig, ein mehrchöriges Werk, das auf Psalm 122 beruht. Die Schlusszeile "Es möge Friede sein in deinen Mauern und Glück in deinen Palästen" gewinnt in Zeiten des Ukrainekriegs eine ganz neue Bedeutung.Über Martin Mayer (ca. 1650 bis ca.1712) weiß man nicht viel, außer, dass er in Breslau wirkte. Sein "Heilig ist der Herre Zebaoth" war genau der richtige, feierliche Abschluss des Konzerts, bei dem alle Sänger und Musiker mitwirkten.
Ohne Zugabe entließ das begeisterte Publikum die Musiker natürlich nicht – und wurde mit Arvo Pärts "Da Pacem Domine" belohnt. (Jutta Hamberger) +++