Osthessens größte Sporttalente
Tischtennis-Brüder Hans: Für ihren Traum stehen sie 250 Tage an der Platte
Fotos: Carina Jirsch
07.04.2022 / PETERSBERG -
Am Samstag geht's los. Frühmorgens um sechs hebt der Flieger ab. Richtung Korsika. Die Familie Hans aus Petersberg-Marbach hat sich den 14-tägigen Urlaub verdient. Raus aus dem Alltags-Stress. Simon (14) und Florian (12), beide im Nationalkader des Deutschen Tischtennis-Bundes, machen mal Pause. Ihre Eltern Eva-Maria und Michael erst recht. Auch die kleineren Brüder David (9) und Julius (3) fliegen mit. OSTHESSEN|NEWS hat die in jungen Jahren schon sehr bekannten Tischtennis-Talente beim Stützpunkttraining in der Wilmington-Halle besucht.
Das Pensum, das Simon und Florian leisten, der Aufwand, den sie betreiben - das ist enorm. Und für Dritte kaum nachvollziehbar. Fünfmal in der Woche trainieren sie, an 250 Tagen im Jahr stehen sie an der Platte, an vierzehn Wochenenden sind sie zu Lehrgängen unterwegs. Entweder im Hessen-Kader oder dem Nationalkader. Letztgenannte Maßnahmen finden während der Schulzeit statt - und es gilt, die versäumte Unterrichtszeit nachzuholen. Simon besucht die neunte Klasse des Wigbertgymnasiums in Fulda und ist dem durchaus anspruchsvollen bilingualen Zweig zugehörig, Florian ist Schüler der Sportklasse 6b des Domgymnasiums. Simon entschied sich im vergangenen Jahr zu einem Wechsel zum Hessenligisten TTC Lüdersdorf. Auch Florian trainiert dort mit und sammelt Erfahrungswerte auf höherem Niveau.
"Einen Schritt zur Seite gehen, um zu reflektieren"
"Tischtennis nimmt in unserer Familie einen großen Raum ein", sagt Michael Hans, Vater der beiden Talente und nach wie vor stellvertretender Abteilungsleiter in Marbach, anfangs noch eher zurückhaltend. Ehe er im gleichen Atemzug präzisiert: "Für meine Frau Eva-Maria und die beiden Jüngsten ist es schwierig auszuhalten, dass wir so viel unterwegs sind und sich die Gespräche am Tisch so häufig um Tischtennis drehen." Und dann greift er, 45 Jahre alt und Lehrer der Jahnschule in Hünfeld, zu Bemerkenswertem. "Man muss manchmal auch einen Schritt zur Seite gehen, um zu reflektieren. Meine Frau ordnet die Dinge ein." "Will nicht dieses ständige Vereins-Hopping"
Ob ihm die vielen Fahrten mit dem Auto und all die heruntergefahrenen Kilometer mit der Zeit nicht auf den Geist gingen? "Das ist absolut 'ne Belastung", räumt der Familienvater, der einst ein Tischtennisspieler beachtlicher Qualität war und bei der SG Marbach an Position eins spielte, ein. "Die Fahrerei hat in den letzten beiden Jahren aber abgenommen", fügt er beschwichtigend an. Zum einen bildet die Familie eine Fahrgemeinschaft mit der Familie Köhler, deren talentierter Sohn Ben-Luca ebenfalls im Stützpunkt trainiert. Und um zum Vereinstraining nach Lüdersdorf nahe Rotenburg an der Fulda zu gelangen, hat sich die Familie Hans speziell organisiert. Mit dem Auto geht's nach Hünfeld, von dort mit dem Zug nach Bebra, wo Nikolas Schade, Spieler des TTC Lüdersdorf und Assistenztrainer im Stützpunkt, Simon und Florian abholt. Und abends sind die Eltern des Marbacher Brüderpaares wieder in Hünfeld am Bahnhof zur Stelle. Zweimal pro Woche ins Fitnessstudio
Dass Simon in diesem Jahr im Reserve-Status des Nationalkaders ist, also auf Abruf bereit, das stört ihn ebenso wenig. Immerhin war er drei Jahre fest dabei. Bleibt die Frage, wie seine Söhne das Pensum verkraften? "Überraschend gut", beobachtet Michael Hans. Florian falle es auch leicht, den Lernstoff für die Schule nachzuholen; bei Simon sei das nicht so. Körperlich sei die Belastung mitunter schwierig, "am Wochenende hängen sie manchmal in den Seilen". Simon gehe deshalb auch zweimal pro Woche ins Fitnessstudio. Aber erstmal geht's nach Korsika. Ab in den Urlaub. Ab in den Süden. "Es ist das erste Mal seit sieben Jahren, dass wir in den Osterferien, in denen sonst Lehrgänge anstehen, was machen dürfen", freut sich Michael Hans. (wk) +++