Nur eine Not-Op konnte das Opfer retten
Zwei Jahre Haft auf Bewährung für Messerstecher: "Gute Sozialprognose"
Foto: Miriam Rommel
01.03.2022 / FULDA -
Zwei Jahre Haft auf Bewährung nach Jugendstrafrecht: So lautete am Montagmorgen das Urteil im Prozess um einen 19-Jährigen aus Künzell, der im vergangenen September einen 18-Jährigen im Fuldaer Schlosspark niedergestochen hatte.
Richter Joachim Becker erläuterte, wie es zu der Tat gekommen war. "Voran gegangen war kurz vorher eine Streitigkeit auf einer Geburtstagsfeier, bei der Täter und Opfer anwesend waren." Eine Tablette aus der Gruppe der Benzodiazepine soll Auslöser gewesen sein. "Der 19-Jährige drohte dem 18-Jährigen, sie ihm wegzunehmen, der 18-Jährige entgegnete, dass er das nie zulassen würde." In unflätiger Weise habe er sich außerdem über die Ex-Freundin des späteren Täters geäußert, dieser habe mit Faustschlägen darauf reagiert.
Am Tattag hätten Täter und Opfer WhatsApp-Nachrichten ausgetauscht. "Beide waren sich schlussendlich einig, keinen Kontakt mehr miteinander haben zu wollen." Der 19-Jährige habe bereits am Vormittag in der Wohnung seiner Oma, die nicht anwesend gewesen wäre, mit einem Freund Alkohol getrunken. Später seien beide gemeinsam in die Stadt gegangen. "Der 19-Jährige erfuhr über eine Nachricht, dass sich der 18-Jährige ebenfalls in der Innenstadt aufhielt." Also habe sich der spätere Täter auf die Suche nach ihm gemacht und sei dabei immer mehr in Wut geraten. Im Schlosshof fand er ihn schlussendlich – und stach mit einem Butterflymesser (der Angeklagte hatte an einem früheren Verhandlungstag zu Protokoll gegeben, dieses aus Selbstschutzzwecken mit sich geführt zu haben), von hinten auf sein arg- und wehrloses Opfer gleich zwei Mal ein.
Da nicht auszuschließen sei, so Richter Becker, dass sich der Täter in einem Zustand von erheblicher Schuldunfähigkeit aufgrund seines Alkoholkonsums befunden habe, und aus dem Grund, dass der Täter nach den beiden Stichen von seinem Opfer abgelassen hätte, ("er ging davon aus, dem anderen wehgetan zu haben, nicht aber davon, ihn tödlich verletzt zu haben. Wäre das sein Plan gewesen, hätte er ihn vollenden können, nachdem er gesehen hatte, dass der andere wieder aufstand") sei er nicht nach versuchtem Mord oder Totschlag, sondern nach schwerer Körperverletzung zu bestrafen.
Strafmildernd auf sein Urteil habe sich ausgewirkt, dass der Angeklagte aus einem guten Umfeld stamme, beide Elternteile arbeiten in gehobenen Jobs, das Verhältnis zwischen Sohn und Familie habe sich in den letzten Monaten wieder gebessert. Als Täter-Opfer-Ausgleich habe die Familie dem Geschädigten bereits 6.000 Euro überwiesen, außerdem habe der Angeklagte einen Entschuldigungsbrief geschrieben und, während seiner Zeit in der Untersuchungshaft, bereits erste Schritte in Richtung Suchtmittelentzug getan.
"Unter den gegebenen Umständen ist die Kammer zu dem Schluss gekommen, dass es ausreichend ist, zwei Jahre erzieherisch auf den Angeklagten einzuwirken. Das von ihm begangene Unrecht ist mit dem Urteil auch genügend bestraft."
Das Urteil kann innerhalb einer Woche angefochten werden. (mr) +++
Archivbild: Henrik Schmitt