"Wir haben immer alles zusammengemacht"
Ehrenbrief des Landes Hessen für Christa und Ernst Sporer
Fotos: Walter M. Rammler
12.11.2021 / FULDA -
Als die beiden Sporers beschlossen, "grün" zu werden und Politik zu machen, ging die Republik durch wild-bewegte Zeiten. Deutschland wurde in den 80ern durch die Nachrüstungsverträge erschüttert, Anti-AKW, die Friedensbewegung und der Kalte Krieg waren auf ihrem Höhepunkt. Und Fulda war, sind wir ehrlich, gerade für junge Menschen ziemlich trist und langweilig.
Zwei, die anpacken und machen
So ging es auch den Sporers, die – man mag es heute kaum glauben – ‚Freeme‘ sind. Christa stammt nämlich aus Neustadt an der Weinstraße, Ernst aus Aichach im bayerischen Regierungsbezirk Schwaben. Wollten beide nach Fulda kommen, war es ihr Wunsch? Ein klares Nein, Christa Sporer musste die Stadt im Diercke Weltatlas nachschlagen und hätte nach ihrem ersten Besuch fast das Weite gesucht. Aber sie beschloss, na gut, ich probier’s halt. Und Ernst gibt freimütig zu, er habe keine andere Wahl gehabt, so dann aber zu den ersten 60 Studenten der FH gehört.Grün in Fulda – nicht gerade leichte Anfänge
Politisch konnte die Reise nur in eine Richtung gehen – beide gehörten 1980 zu den Gründungsmitgliedern der Grünen in Fulda. Und glauben Sie bloß nicht, das wäre damals einfach gewesen. Mehrheitlich sah man die Grünen als Spinner, die man nicht ernstnehmen musste. Was war das auch für eine Partei, deren Mitglieder keine Anzüge und schicken Kostümchen, sondern Strickpullis und Jeans im Kleiderschrank hatten, in Turnschuhen zu Vereidigungen kamen, dauernd gegen irgendetwas protestierten und Sand im Getriebe sein wollten. Die sich Regeln gaben, die in anderen Parteien zu Herzattacken geführt hätten – von Ämter-Rotation, weiblich-männlich paritätischer Besetzung aller Posten bis hin zu basisdemokratisch gefällten Entscheidungen. Fulda kannte so etwas nicht – genauso wenig wie der Rest der Republik.Kommunalpolitische Rekorde
In Fulda ticken die Uhren etwas anders, denn Fulda ist auch heute noch das, was man gern wertkonservativ nennt. Dass grüne Ideen irgendwann auch in Fulda gediehen, ist ganz maßgeblich den Sporers und ihrer Pionierarbeit zu verdanken. So wie ein Kräutlein sich den Weg auch durch Beton erkämpft, so erkämpften die Sporers über die Jahre ein grüneres Fulda. Das Ergebnis der Kommunalwahl im März 2021 war die Belohnung dafür: 16,45% für Grün, zweitstärkste Fraktion. Den Fraktionsvorsitz hat Ernst Sporer längst an Silvia Brünnel abgegeben, aber: "Ein Leben ohne Politik kann ich mir nicht vorstellen."Die Kreuz GmbH
Politik war den beiden aber nie genug. Sie gründeten das Kulturzentrum Kreuz, die erste studentische Kneipen-Kooperative in Fulda. Für junge Menschen gab es damals weit und breit nichts, und so wurde das Kreuz kulturelle Heimat und Hotspot unzähliger Jugendlicher, auch OB Wingenfeld konnte man am Tresen oder auf der Tanzfläche regelmäßig treffen. "Ich hätte mir in meinen kühnsten Träumen nicht ausmalen können, dass ich einmal im Marmorsaal stehe und die Sporers ehre", resümierte der Oberbürgermeister in seiner Ansprache, der man die Sympathie für die Sporers deutlich anmerkte.Ehrenbrief an zwei grüne Pioniere
Die Bestimmungen für den Ehrenbrief des Landes Hessen sind streng. Man kriegt ihn nicht, weil man gut in seinem Job war – gefordert ist ehrenamtliches Engagement in den Bereichen Kultur, Soziales oder Demokratie. Ich frage Ernst Sporer, was seine erste Reaktion war, als er von der Auszeichnung hörte. Er grinst und meint: "Na, ich habe gedacht, nee, das will ich doch gar nicht. Aber Christa hat mich dann doch überzeugt." Typisch für ihn, beides. Übrigens: Urkunde und Anstecknadel – endlich Lametta, lieber Ernst! – bekamen sie beide, Blumen nur Christa. Das mit dem traditionellen Frauenbild ist halt doch noch ein dickes Brett!Fulda braucht Pioniere wie Christa und Ernst Sporer. Im Sinne der Stadt und ihrer Menschen bleibt zu hoffen, dass ihr Pioniergeist auch in Zukunft nicht erlahmt. (Jutta Hamberger) +++