Gedenken der Holocaust-Opfer

9. November 1938: Stadt will Erinnerungsort Am Stockhaus weiter ausbauen

Feierliche Gedenkveranstaltung Am Stockhaus am frühen Dienstagabend zum 83. Jahrestag der Reichspogromnacht
Alle Fotos: Martin Engel

10.11.2021 / FULDA - Seit Jahren wird in den städtischen Gremien darüber diskutiert, wie und wo ein Erinnerungsort in Fulda zu schaffen sein könnte, an dem man sich angemessen mit dem Schicksal der im Dritten Reich ermordeten oder deportierten Fuldaer Juden auseinandersetzen kann. Ein solcher Ort scheint nun gefunden zu sein, wie die Gedenkveranstaltung Am Stockhaus anlässlich des 83. Jahrestages der Reichspogromnacht, in der überall in Hitler-Deutschland die Synagogen brannten, am Dienstagabend zeigte.



Das alljährliche Zusammenkommen zahlreicher Bürger verschiedenster Religionen fand stets direkt auf der Straße vor der ehemaligen Synagoge statt – mehr oder weniger schmucklos. Im vergangenen Jahr wurde die Veranstaltung wegen der Pandemie sogar auf ein Minimum an Teilnehmern begrenzt. Nun bot sich ein völlig anderes Bild.

Im vergangenen Jahr hat die Stadt das Grundstück erworben, auf dem bis zum 9. November 1938 die Synagoge stand, nun wurde dort der Opfer von damals gedacht. "Einen so würdigen Rahmen gab es hier noch nie", sagte Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld. Der Platz war feierlich beleuchtet, es waren Kränze aufgestellt, an eine Hauswand wurden Fotos von jüdischen Mitbürgern aus den 1930er Jahren projiziert und Schüler der Winfriedschule hatten für jedes Opfer von damals ein Teelicht angesteckt. 411 an der Zahl.

"Dieser Platz soll weiterentwickelt werden", so Wingenfeld. "Er soll aber keine bloße Gedenkstätte sein, sondern vor allem auch ein Ort für Begegnung, Bildung und interreligiösen Dialog." Der OB erinnerte an die fast 1.000-jährige Tradition der jüdischen Gemeinde in Fulda, die zum Glück wieder Fuß gefasst habe. Damit sei der Plan der Täter von damals gescheitert.

Auch Nachkommen der Opfer des Holocaust waren – nicht zum ersten Mal – extra aus den USA und Israel angereist. Gebete sprachen Bischof Dr. Michael Gerber, Pfarrer Dr. Michael Grimm für die Evangelische Kirche, Imam Ijaz Janjua für die muslimische Achmadiya-Gemeinde sowie Roman Melamed für die Jüdische Gemeinde.

Die Schüler der Winfriedschule, die sich unter Anleitung von Anja Listmann, die sich seit langem für die Versöhnung zwischen Deutschen und Juden starkmacht, mit dem Thema auseinandergesetzt haben, zeichneten den Schicksalsweg der jüdischen Familie Weinberg aus Fulda nach und betonten, dass gerade auch die junge Generation sich ihrer Verantwortung gegenüber der Geschichte bewusst sein müsse.

Moderiert – wenn denn der Begriff in diesem Zusammenhang überhaupt gestattet ist – wurde die Gedenkveranstaltung von Wolfgang Hengstler von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Jüdische Lieder und vertonte Psalmen erwärmten an diesem doch recht frischen Herbstabend das Herz der locker 200 Menschen, die andächtig zusammengekommen waren. (mw) +++


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