Sebastian Reinhardt hat es wieder getan!
Auch die BBC ist berührt von der deutschen SolidAHRität!
Fotos: privat
06.11.2021 / AHRTAL/REGION -
Sebastian Reinhardt aus Großenlüder ist unseren Lesern inzwischen bestens bekannt - und wie schon zu vermuten war, ist er auch jetzt wieder im Ahrtal gewesen. Lesen Sie seinen aktuellen Bericht aus der Region, die in den großen Medien so gut wie nicht mehr vorkommt und genau deshalb unsere Aufmerksamkeit verdient:
Es erreichten mich Mails und Anrufe mit super Tipps, Kontakten und Unterstützung, mit denen ich auch vielen weiteren Helfern im Ahrtal weiterhelfen konnte. Auch ein Reporter des BBC in London, Tim Whewell, rief mich an. Er hatte meine Artikel gelesen und machte mich ausfindig. Ich konnte ihm einige Kontakte vermitteln und er kam persönlich ins Ahrtal, um zu recherchieren und sich ein Bild zu machen. Mit der Hilfe von Wilhelm Hartmann und einem deutschen Korrespondenten der ARD entstand eine Reportage über die Flut im Ahrtal. In Großbritannien findet man die unglaubliche Hilfsbereitschaft der privaten Fluthelfer und die großherzige SolidAHRität absolut bemerkenswert und Tim wollte diesen New German Spirit selbst erfahren und sehen, wie die Helfer und die Bewohner im Krisengebiet Hand-in-Hand für ein gemeinsames Ziel arbeiten und schon Unglaubliches geleistet haben.
Zusammen mit "den Helfern aus dem Kiebitzgrund" plante ich eine dritte Tour ins Ahrtal. Bereits vor Wochen hatten wir beschlossen, dem Ehepaar Keidel in Mayschoß weiterhin helfend zur Seite zu stehen. Wir schafften es wieder, zwei LKW-Ladungen mit Materialspenden zu sammeln. Ein wirklich gelungener Zusammenschluss, für den ich allen sehr dankbar bin!
Kurzerhand halfen wir uns gegenseitig bei der Organisation. Freitags gegen 17 Uhr erreichte unser Tross dann Walporzheim und das Baustoffzelt Kaiser. Kaum fingen wir an mit dem Entladen, kamen schon Menschen, die das dringend benötigte Baumaterial wieder aus dem Zelt trugen. Das ist für alle Spender ein gutes Gefühl. Alles wird sofort mit großer Freude und Dankbarkeit angenommen.
Ganz tief rührt mich, dass wir auch diesmal Anfeuerholz von einem besonderen Spender bekamen. Ein Junge mit Down-Syndrom produziert mit seinem Vater Anfeuerholz vom Feinsten. Der Vater Klaus Sauer reicht an und Andreas spaltet die Scheite auf den Millimeter genau und verschnürt sie zu ordentlichen, runden Bündeln. Da wird einem nicht nur das Herz richtig warm! Ganz lieben Dank dafür.
Die Firma Technolit aus Großenlüder spendete vier große Paletten mit hochwertiger Arbeitskleidung und Werkzeugen. Die Menschen und Helfer sind somit für die kalten Tage bestens gerüstet und auch die Werkstatt im Wilhelmshafen hat sich über diverse Spezialwerkzeuge riesig gefreut. Einen herzlichen Dank von meiner Seite für diese großzügige Spende.
Auch viele Privatspender meldeten sich bei mir und brachten große Mengen an Dämmmaterial, Sackware, Heizgeräte, etc. sowie einige Geldspenden. Diese konnten wir bei der Firma Kress in Neuhof in dringend benötigte Schrauben umwandeln und erhielt sogar noch eine große Menge zusätzlicher Materialien aus dem Bestand. Und auch "Wiederholungstäter" durfte ich bei mir zuhause wieder begrüßen. Ganz herzlichen Dank an alle. Mit Euren großherzigen Spenden verschenkt ihr pures Glück im Katastrophengebiet.
Die vier Helfer aus dem Kiebitzgrund konnten ebenfalls wieder richtig viel für das Baustoffzelt organisieren, Materialspenden und auch Geldspenden. Der H-Getränkemarkt Wytrickus in Schlitz-Sandlofs feierte sein 30-jähriges Jubiläum und sammelte für die Menschen im Ahrtal mehr als 3.200 Euro, die in OSB-Platten, Rigips, Wandfarbe und Schraubenmaterial investiert wurden. Nach dem Abladen fuhren wir mit einem guten Gefühl weiter nach Mayschoß.
Auch Sören Vandeberg von der Firma Agro Agrarhandel kam nicht mit leeren Händen ins Ahrtal. Er brachte mehrere Paletten mit Farben ins Baustoffzelt, damit das Depri-Grau wieder durch Buntes abgelöst wird. Auch eine neue Spülmaschine und Profi-Reinigung-Equipment für Winzer Achim Sebastian waren im Gepäck. Sören und seine vier Kollegen arbeiteten in den nächsten Tagen für das Weingut und auch auf privaten Baustellen. Unterkunft fanden sie im Containerdorf von Wilhelm Hartmann, dem "Wilhelmshafen", direkt neben dem Baustoffzelt.
Am nächsten Morgen gab es Wohlduftendes und Knuspriges von Wido, dem einzigen Bäcker im Ort. Aus seiner kleinen Backstube auf der Silbergasse heraus verkauft er bereits wieder frische Brötchen, Brot und diverse süße Köstlichkeiten, "Teilchen" wie man im Ahrtal sagt. Sein Ladengeschäft, sowie das große Café zur Flussseite hin ist nach wie vor komplett zerstört. Er hat seine Energie auf die Backstube konzentriert, um möglichst schnell wieder Brot backen zu können. Bereits bei meinem ersten Besuch in Mayschoß erzählte er mir voller Tatendrang, dass er nur noch auf ein paar Ersatzteile für seine Maschinen warte und dann auf alle Fälle so schnell wie möglich weitermachen möchte. Gestern waren fünf Helfer der "Elektroseelsorge" bei ihm und konnten eine seiner defekten Maschinen reparieren. Die ehrenamtlichen Mechaniker haben es sich zur Aufgabe gemacht, Geräte instandzusetzen, die durch die Flut beschädigt wurden. Es gibt quasi nichts, was sie nicht ans Laufen bekommen. Beate Wimmer, die schon seit einer Weile ihren Wohnwagen in Mayschoß stehen hat und von hier aus Hilfsaktionen organisiert und sehr gut vernetzt ist, hatte die Mechaniker um Hilfe für Wido gebeten. Als sie kamen, hatte Wido gerade Blechweise Weckmänner in Arbeit, die klassischen, mit Rosinenaugen und Tonpfeife im Arm. Auch eine regionale Leckerei, über die sich besonders die Kinder am Martinstag freuen werden. Seine Backkunst ist nicht nur in Mayschoß, sondern in allen Dörfern hochbegehrt. Bisher gibt es im ganzen Ahrtal nur zwei Bäcker, die schon wieder selbst backen.
Anders sieht es leider bei den beiden Metzgern in Mayschoß aus. Ein Metzger hat sein Geschäft aufgegeben und der andere verkauft aktuell zugekaufte Ware aus einem Verkaufswagen heraus, da Laden und Produktionsstätte immer noch komplett zerstört sind.
Frisch gestärkt konnten wir bei Maria diverse Deckenbalken erneuern, die durch die Flut instabil waren. Das wurde ein ganz besonderer Tag für Maria. Zum erste Mal nach der Flut konnte sie wieder in ihrem Haus übernachten, weil sie sich nun wieder gefahrlos im ersten Stock bewegen konnte.
Bei Keidels nahmen wir am Nachmittag die Räumung des Hauses und den Umzug in Angriff. Wir transportierten die Möbel aus dem unbeschädigten ersten Stockwerk mit unserem geliehenen LKW teils über Feldwege und etliche Umleitungen zur neuen Übergangswohnung, 37 km entfernt. Über öffentliche Straßen wäre dies eine Strecke von mehr als 70 km gewesen.
Zeichen der Hoffnung. Fest der 1000 Lichter
Die drei Tage im Flutgebiet haben mir wieder deutlich gezeigt, wie lebensnotwendig die Hilfslieferungen und die Unterstützung der Menschen im Ahrtal nach wie vor ist. Der Umzug des Wilhelmshafen und des Baustoffzelts von Walporzheim hoch nach Grafschaft eröffnet neue Möglichkeiten und die Übernachtungsmöglichkeiten von Helfern in der kalten Jahreszeit werden sich hier deutlich verbessern. Der Zusammenschluss mit dem Helfer-Shuttle wird weiterhin verlässliche Hilfe ins Ahrtal bringen. Ganz kostenlos und vor Allem unbürokratisch.
Trotzdem wird es noch sehr lange dauern, bis im Ahrtal wieder ein normales Leben stattfinden kann. Die Menschen haben teils alles verloren. Ihr Haus, all ihr Hab und Gut, und viele sogar den Arbeitsplatz und damit ihre berufliche Grundlage. Für den Wiederaufbau benötigt man nun Handwerker und Material. Beides ist Mangelware. Deshalb sind unsere Materialspenden auch so wichtig für die Menschen im Ahrtal. Sie brauchen mehr denn je unsere Unterstützung. Der Winter naht. Eine Vielzahl der Häuser hat immer noch keinen Strom, Trinkwasser aus der Leitung, warmes Wasser zum Duschen, oder eine Heizmöglichkeit.
Ein besonderer Dank zum Schluss geht noch an Barbara Schmitz, eine gebürtige Mayschoßerin, die mich bei der Erstellung der Spendenberichte immer tatkräftig unterstützt hat und auch mit dem ein, oder anderen Tipp immer hilfreich zur Seite steht.
Seien Sie gespannt, die nächste Aktion zur Unterstützung der Menschen im Ahrtal ist bereits in Planung. Ich halte Sie auf dem Laufenden.
Hilfs- und Spendenangebote richten Sie bitte an: osthessen-hilft@gmx.de
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