OLG hatte Freispruch "kassiert"

Bewährungsstrafe wegen Polizistenbeleidigung als "Rassistenpack"

Am 13. April 2019 hatte eine Demo wegen des erschossenen Matiullah auf dem Uniplatz in Fulda stattgefunden.
O|N-Archivbilder

03.11.2021 / FULDA  - Zum zweiten Mal stand am Dienstag ein heute 27-Jähriger wegen Polizistenbeleidigung vor dem Fuldaer Amtsgericht, nachdem das Oberlandesgericht Frankfurt dessen Freispruch aufgehoben hatte. Das Amtsgericht hatte damals entschieden, dessen Aussagen seien vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt gewesen. Der Hintergrund: Der Fall des im Fuldaer Münsterfeld am 13. April 2018 erschossenen 19-jährigen Flüchtlings Matiullah hatte hohe Wellen geschlagen und auch ein Jahr später noch Anlass zu einer Protestdemonstration auf dem Uniplatz und am damaligen Tatort im Münsterfeld gegeben. Die angemeldete und genehmigte Kundgebung unter dem Motto "Gerechtigkeit für Matiullah" wurde dabei von Einsatzkräften der Polizei begleitet. In der Kronhofstraße habe der Angeklagte per Mikro und Lautsprecher wiederholt die Parole "Bullen morden, der Staat schiebt ab, das ist das gleiche Rassistenpack!" skandiert. 


 
Dadurch fühlten sich zwei anwesende Polizisten persönlich beleidigt sowie in ihrer Ehre gekränkt und hatten - wie auch Polizeipräsident Günther Voß - Anzeige gegen den 26-Jährigen erstattet. Gegen den anschließenden Strafbefehl hatte der junge Mann Einspruch eingelegt und argumentiert, er habe niemanden persönlich beleidigen wollen. Nachdem ihn ein Beamter, der ihn bei der zum Teil verbal aggressiv aufgeheizten Stimmung auf die Strafbarkeit seiner Handlung hingewiesen und ihn aufgefordert hatte, die Rufe zu unterlassen, hatte er auch damit aufgehört. 

Der damalige Einsatzleiter der Polizei hatte damals vor Gericht als Zeuge gesagt: "Als Mörder und Rassist beschimpft zu werden, geht mir als Mensch und Polizist entschieden zu weit und kränkt mich persönlich in meiner Ehre!" Er sei Teil des Rechtsstaats und  schütze das Demonstrationsrecht und das auf freie Meinungsäußerung - "auch dieser Demonstranten", hatte der Beamte erklärt. 

Dagegen hatte die Verteidigung argumentiert, es sei bei der Demonstration klar um den allgemeinen Vorwurf des Rassismus bei der Polizei gegangen, auf diesen Sachbezug sei in den damaligen Redebeiträgen auch in Beispielen hingewiesen worden. Die Polizei sei als Kollektiv nicht beleidigungsfähig, das sei der Stand der aktuellen Rechtssprechung. Dieser Einschätzung folgte das Gericht und hatte den Angeklagten freigesprochen. 

Doch in der neuerlichen Verhandlung kam das Amtsgericht jetzt zu einem anderen Urteil, nachdem erneut Zeugen ausgesagt und ein Audiomitschnitt von der Demonstration angehört worden war. Der Ausdruck "Rassistenpack" habe keinen sachlichen Bezug gehabt und stelle sehr wohl eine Beleidigung der Polizisten dar. Da stoße das Recht auf freie Meinungsäußerung an seine Grenzen, so Richter Ulrich Jahn. Er verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 1.800 Euro, die aber für zwei Jahre auf Bewährung ausgesetzt wird. (ci)+++

Auch im Münsterfeld in Nähe des damaligen Tatorts wurde demonstriert .

Der Angeklagte bei der Verhandlung 2020

X