Ist die Weidetierhaltung in Gefahr?
Nutztierhalter gehen auf die Straße: "Brauchen echten Schutz vor dem Wolf!"
Archivbild: O|N
27.10.2021 / REGION - In Gießen gingen am Montag zahlreiche Weidetierhalter -auch aus Osthessen- auf die Straße, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Die Angriffe von Wölfen auf Schafe, Ziegen, Geflügel oder Kälber steigt, im Landkreis Fulda, Hersfeld-Rotenburg und im Vogelsbergkreis kommt es seit wenigen Jahren immer wieder zu Vorfällen. Viele Weidetierhalter sind somit verunsichert und erhoffen sich vom Staat mehr Unterstützung. Anstatt jedoch auf die Sorgen der Landwirte einzugehen, wird, nicht nur von Landesseite her, gerne pauschalisiert, die Fronten verhärten. Eine Lösung des Konfliktes ist nicht in Sicht.
Viehhalter fühlen sich im Stich gelassen
"In den letzten zehn Jahren hat sich der Wolf in Deutschland unreguliert ausgebreitet. Jährlich wächst die Wolfspopulation um etwa 30 Prozent. 2020 wurden laut amtlichen Angaben rund 4.000 Nutztierrisse gemeldet – eine Verdoppelung im Vergleich zu 2018. Wir brauchen in Hessen keine Wolfsreviere, sondern Weidetiere", so der der Vizepräsident des Hessischen Bauernverbandes, Volker Lein, auf der Kundgebung. Anlass dieser Demonstration unter dem Motto "Wir für unsere Tiere" war die Auftaktveranstaltung der vom hessischen Landwirtschaftsministerium eingesetzten Arbeitsgruppe "Wolf in Hessen", die zuvor über den Stand der Umsetzung des hessischen Wolfsmanagementplans in Gießen beraten hatte.Die Weidetierhalter kritisieren, dass in dem im April 2021 veröffentlichten hessischen Wolfsmanagementplan der Schutz des Wolfes einen weitaus höheren Stellenwert als der Schutz der Weidetiere habe. "Hier werden die Prioritäten falsch gesetzt", so Lein. Herdenschutzmaßnahmen, in Form von Zäunen oder Herdenschutzhunden, lösten das Problem nicht, weil sie nicht überall anwendbar seien und, wie die Praxis zeige, keinen ausreichenden Schutz böten. "Wenn die Gesellschaft die Rückkehr des Wolfes wünscht, müssen auch sämtliche damit verbundenen Kosten vom Staat übernommen werden. Sie können nicht auf die Weidetierhalter abgewälzt werden", forderte Nik Hampel, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Hessen.
"Die Weidetierhalter haben in diversen Gesprächen und Stellungnahmen ihre Sorgen, Argumente und Forderungen der Politik und Verwaltung vorgetragen. Leider wurden diese anscheinend schlichtweg ignoriert", sagte Frieder Beyer, Sprecher des Bundesverbandes Berufsschäfer. "Stattdessen hat man die Verantwortung der Weidetierhaltung im Wolfsmanagementplan verschriftlicht, ohne ihr die dafür nötigen finanziellen Mittel auch nur ansatzweise zur Verfügung zu stellen. Das ist für ein von einer grünen Ministerin geführtes Landwirtschaftsministerium, das immer die ökologischen Vorteile der Weidetierhalter hervorhebt, völlig inakzeptabel", so Beyer.
"Brauchen konkrete Maßnahmen"
Dem Wolfsmanagementplan fehle ein konkreter Rahmen für Präventionsmaßnahmen (Vergrämung, Abschreckung), schnelle Entnahmen und zügigen Schadensausgleich sowie für eine Bestandsregulierung. "Wir brauchen vor allem ein möglichst frühzeitiges und konsequentes Eingreifen gegen den Wolf. Dazu bedarf es klarer Regelungen. Es muss alles darangesetzt werden, den Wolf von Siedlungen und Weidetieren fernzuhalten, bevor Tiere oder gar Menschen zu Schaden kommen", hob Lein hervor. Sollte es zu Wolfsrissen kommen, seien diese schnell und in vollem Umfang zu entschädigen. Gleiches gelte für Verdachtsfälle.Weidetierhaltung in Gefahr?
"Unsere Weidetiere liefern nicht nur hochwertige Lebensmittel aus der Region, sondern sie pflegen unsere schöne Kulturlandschaft und leisten somit auch einen wichtigen Beitrag zur Artenvielfalt", ergänzte Tim Treis, Vorsitzender der Vereinigung Ökologischer Landbau in Hessen (VÖL). "Aufgrund der Tatenlosigkeit von Bund und Ländern werden sich Wölfe in Deutschland weiterhin ungebremst verbreiten. Deshalb ist die Weidetierhaltung in Deutschland und Hessen in hohem Maße gefährdet." (mr/pm) +++Screenshot: Facebook Wir für unsere Tiere
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