Von Zella-Mehlis nach Fulda
Wirtschaftsgeschichte rund ums Rad: Büchel produziert Fahrradteile weltweit
Fotos: Marius Auth
20.10.2021 / FULDA -
Die osthessische Wirtschaftslandschaft steckt voller Überraschungen: In unscheinbaren Wohngegenden residieren Global Player, die weltweit auf dem Markt erfolgreich sind. So auch Büchel, seit den 1920er-Jahren Produzent von Fahrradteilen und inzwischen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern weltweit tätig.
Goldene Nachkriegszeiten
Mit viel Glück konnten Maschinen der Adler-Werke in Frankfurt am Main erworben und nach Fulda transportiert werden. Drehbänke, Fräsmaschinen und Pressen legten den Grundstock für die Wiederbelebung des Unternehmens. Auf dem jetzigen Gelände der Hochschule Fulda, in der Ludwig-Beck-Straße, bekommen die Brüder von der Stadt Räumlichkeiten zugewiesen. Die Kundenbeziehungen waren schnell wiederbelebt: "Die Fahrradfabriken und der Großhandel kannten uns aus Zella-Mehlis und von Messen, die Teile wurden dann eben aus Fulda geliefert. Direkt nach dem Krieg waren goldene Zeiten: Sowohl im Westen als auch im Osten waren viele Betriebe komplett von den Siegermächten ausgeschlachtet worden - Maschinen, die etwas taugten, wurden mitgenommen. Für Fahrradteile gab es deswegen damals nur vier Firmen in Deutschland. Deswegen konnten wir schnell aus dem Nichts wieder aufblühen."Schritt nach Asien
Die Reform- und Öffnungspolitik unter Deng Xiaoping brachte in den 1980er-Jahren einen riesigen Produktionsmarkt für Wagemutige: Büchel-Pedale wurden bald in Thaizhou in Lizenz produziert, als der VW Santana ab 1983 in China produziert wurde, kam die entscheidende Diversifizierung fürs Fuldaer Unternehmen: "Die Unternehmen in China konnten damals noch nicht die von Volkswagen gewünschte Qualität liefern - das war unser Vorteil. Luftausströmer im Armaturenbrett und andere Teile wurden dann von uns produziert - bis 2010 haben wir für Volkswagen 450 unterschiedliche Teile produziert."Inzwischen sind am Standort Niesig nur noch Vertrieb und Verwaltung angesiedelt. In Zella-Mehlis, wo ab 1990 wieder produziert werden konnte, sind 30 Mitarbeiter beschäftigt, im thüringischen Barchfeld 170, im sächsischen Oederan 60, im sachsen-anhaltinischen Rothenburg an der Saale 20, im baden-württembergischen Eislingen 75, in Indien 150 und in China 600. Corona hat die Lieferung aus Asien und Indien verteuert und grundsätzlich unwägbar gemacht: "Der Preis für einen 40-Fuß-Container ist plötzlich von 1.500 auf 20.000 Dollar hochgeschnellt im letzten Jahr.
Corona zwingt zum Umdenken
Die Transitzeit von 35 auf 120 Tage. Das ist einer der Gründe, warum wir ab nächstes Jahr auch in Tschechien produzieren werden. Für günstige Sättel haben wir eine Firma in Italien gekauft - und werden in den nächsten vier Jahren insgesamt 35 Millionen Euro investieren, auch um das geostrategische Risiko zu minimieren. Eine Fahrradfelge, die in China für 3 Euro gekauft wird, kostet 1,50 Euro Transport, zusätzlich kommen heute die Unwägbarkeiten. In Europa kaufe ich dieselbe Felge für 3,80 Euro - und Just-in-time-Produktion ist möglich. Unterm Strich komme ich billiger, die Automation macht's möglich."