Motto: "Sicheres Wohnen im Lande"

3. Oktober-Freude im ehemaligen Sperrgebiet: Gottesdienst in Point Alpha

Die Zelebranten (von links): Pfarrer Alfred Spekker aus Frankenheim, Regionalbischof Probst Tobias Schüfer, Pfarrer Harald Krüger aus Hohenroda, Dechant Markus Blümel und Pater Binesh Mangalan aus Eiterfeld.
Fotos: Bernd Vogt

04.10.2021 / RASDORF / GEISA - Mit einem ökumenischen Gottesdienst wurden am Sonntag die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit wie schon in der Vergangenheit in der Gedenkstätte Point Alpha bei Rasdorf begangen. Die Festpredigt in diesem Jahr hielt der evangelische Regionalbischof Probst Tobias Schüfer aus Meiningen. Seine Konzelebranten: Dechant Markus Blümel, Pater Binesh Mangalan aus Eiterfeld, Pfarrer Alfred Spekker aus Frankenheim sowie Pfarrer Harald Krüger aus Hohenroda. An die 150 Gottesdienstbesucher hatten sich im großen Festzelt im US-Camp eingefunden, darunter auch Polit-Prominenz aus dem Geisaer Land und den Point-Alpha-Gemeinden.



Die Auto-Kennzeichen auf dem Parkplatz vor dem Camp-Gelände sprachen eine beredte Sprache: WAK dominierte, EF, SHL, EA oder auch EF. Das Interesse aus dem Einzugsgebiet der ehemaligen DDR war augenscheinlich größer als aus dem angrenzenden Hünfelder und Fuldaer Land. Sebastian Leitsch, geschäftsführender Vorstand der Point-Alpha-Stiftung, hatte die Gäste begrüßt und auf das Motto der Veranstaltung "Sicheres Wohnen im Lande" hingewiesen. Bei ihm und den anderen Rednern an diesem Morgen überwog der Dank – "für 31 Jahre deutsche Einheit", dafür, dass "sich das Blatt gewendet  hat" und der "Dank, wie sicher wir leben".

Da stimmte Festprediger Probst Tobias Schüfer freudig ein und sprach von der "3. Oktober-Freude" in diesem Sperrgebiet, versäumte aber nicht auf die schlimmen Ereignisse am 3. Oktober 1961 hinzuweisen. Das Datum bezeichne in dieser Sperrgebietsregion den Tag, an dem viele Menschen aus Geisa und anderen grenznahen Orten zwangsausgesiedelt wurden, Hals über Kopf ihre Häuser verlassen mussten und in eine ungewisse Zukunft blickten. Für eine Schilderung dieser Ereignisse unterbrach Schüfer seine Predigt zu einem kurzen Gespräch mit einer Frau aus Geisa, die den Tag der Zwangsaussiedlung im Alter von zehn Jahren miterlebt hat. Sie habe die Bilder von "wildfremden Menschen in der elterlichen Wohnung", von "tatenlos dastehenden Mitbürgern und von schroffen Stasi-Leuten" lange nicht aus dem Kopf und aus ihren Träumen bekommen. Erst später, als junge Frau, habe sie die Kraft gefunden sich damit auseinander zu setzen.

"Was ist aus denen geworden", fuhr Probst Schüfer nach diesen eindrücklichen Schilderungen  fort, "die weggebracht wurden", die weggebracht haben, die zugesehen haben, die die Befehle zum Wegbringen gegeben haben?" Und er sagte, ohne auf eine Antwort zu warten: "Ja, auch wir sind schuldig geworden." Und: das DDR-Unrecht müsse schonungslos aufgearbeitet werden.

Das klang auch in den Fürbitten an, die Pfarrer Krüger aus Hohenroda zum Ende des Festgottesdienstes formulierte: für ein Recht auf sicheres Wohnen oder für Menschen, die ihre sichere Bleibe durch Kriege oder Naturgewalten verloren haben. Noch ein kraftvolles "Großer Gott, wir loben Dich", musikalisch unterstützt von Rebecca und Ulrich Göb, und schon ist der 3. Oktober 2021 Geschichte – bis zum nächsten Mal. (Thomas Witzel) +++

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