Gemälde aus Samen und Körnern
33. Sargenzeller Früchteteppich zeigt "Daniel in der Löwengrube"
Ein "Heidenarbeit" für einen christlichen Zweck: der Früchteteppich in der Alten Kirche von Sargnezell
Fotos: Suria Reiche
26.08.2021 / HÜNFELD -
Im vergangenen Jahr musste die Ausstellung des beliebten Früchteteppichs in der Alten Kirche in Sargenzell coronabedingt ausfallen. Umso glücklicher sind die Frauen, die gerade jeden Abend in den alten Gemäuern zugange sind, darüber, dass sie den Besuchern ab dem 4. September wieder ein Werk zeigen können, das sie lediglich aus Körnern und Samen in verschiedenen Farben hergestellt haben.
Das große Gemälde auf dem Boden der Alten Kirche in Sargenzell löst ein Gefühl von Einsamkeit beim Betrachter aus. Zugleich sieht man Angst, aber auch Zuversicht und Hoffnung. Dass es so gut zur aktuellen Zeit passt, ist Zufall. Denn als es der Förderverein Alte Kirche Sargenzell e.V. bereits vor einiger Zeit ausgewählt hat, wusste noch niemand, dass ein Virus und die Maßnahmen, die es seinetwegen gibt, all diese Gefühle bei den Menschen verursacht. "Das ist Fügung", sagen die Frauen, die gerade vor dem Bild in der Alten Kirche knien und mit ruhiger Hand die letzten Körner und Samen darauf verteilen. Mindestens zwei Stunden sind sie jeden Abend damit beschäftigt. Sie tun es, weil sie diese künstlerische und zugleich meditative Arbeit lieben, weil sie die Gemeinschaft und das Beisammensein schätzen und weil sie sie ein Stück weiter zur biblischen Geschichte führt. Zwei, drei Tage brauchen sie noch, dann ist das Gemälde mit dem Namen "Daniel in der Löwengrube" fertig.
Bevor die Frauen damit beginnen konnten, die insgesamt 70 verschiedenen Körner- und Samenarten auf dem Gemälde zu verteilen, hatte die künstlerische Leiterin Heike Richter eine Menge zu tun. 17 Tage hatte sie Zeit, um das Gemälde, das neben Daniel und einem Engel auch viele Löwen und Knochenreste sowie Totenköpfe, die auf dem Boden liegen, zeigt, vorzuzeichnen. Erst auf einer kleinen Leinwand und dann riesengroß für den Boden der Alten Kirche. Es ist in Anlehnung an eine Illustration von Dan Burr entstanden.
Seit dem 1. Juli sind nun an jedem Abend sechs Legerinnen und drei bis vier weitere Frauen, die die Körner und Samen im Vorfeld sortieren, damit beschäftigt, das vorgezeichnete Motiv mit verschiedenfarbigen Körnern und Samen auszulegen, zu fixieren – und ab und zu mal davon zu naschen. "Alles, was wir verwenden, ist nämlich auch in der heimischen Küche zu finden", sagen sie und lachen. In den Schalen neben ihnen befindet sich zum Beispiel Mohn in unterschiedlichen farblichen Abstufungen, auch Sonnenblumenkerne sind zu finden. Genauso wie Linsen, Hirse oder Leinsamen und Reis.
Es ist inzwischen das 33. Mal, dass die Sargenzeller Frauen hier einen solchen sogenannten Früchteteppich legen. Eigentlich wäre es der 34. Teppich, aber im vergangenen Jahr musste die Ausstellung coronabedingt ausfallen. Umso glücklicher ist man, dass sie in diesem Jahr wieder stattfinden kann. Denn der Früchteteppich ist eine ganz besondere Ausstellung, da sind sich die Frauen sicher. "Im Jahr 2019 hatten wir 45.000 Besucher aus nah und fern", sagen sie und zeigen ein Gästebuch, in dem sogar Einträge auf Afrikanisch und Arabisch zu finden sind.
Dass so viele Menschen kommen, um den Sargenzeller Früchteteppich zu sehen, ist kein Wunder: Denn das, was auf dem Boden der Alten Kirche zu sehen ist, lässt einen staunen. In diesem Jahr wollen die Künstlerinnen sogar noch einen draufsetzen und die Ränder des Teppichs mit Schweineknochen verzieren, damit das Gemälde noch plastischer wirkt. Außerdem wird in diesem Jahr erstmals das vorgemalte Gemälde auf Leinwand verlost und der Erlös für einen guten Zweck gespendet.
Spenden waren auch einst der Grund, warum der Früchteteppich vor mehr als drei Jahrzehnten entstanden ist. "Es gab den Gedanken, die Alte Kirche vor dem Abriss zu bewahren und aus den eingenommenen Spenden zu restaurieren." Nach einigen Jahren war das Ziel erreicht und die eingehenden Spenden kommen nun anderen sozialen, karitativen und kulturellen Projekten oder Bedürftigen zugute.
Beim Besuch des Früchteteppichs gelten die aktuellen Corona-Vorschriften des Landes Hessen. Gruppen mit mehr als fünf Personen werden gebeten, sich anzumelden und Privatpersonen sollten die Stoßzeiten von 13 bis 15 Uhr meiden. Die Ausstellung ist ab Samstag, 4. September, bis Sonntag, 31. Oktober, täglich von 10.30Uhr bis 16.30 Uhr geöffnet. (sur) +++