Vorreiter im ökumenischen Miteinander

Abschied von einem rührigen Bilderbuchpfarrer: Reinhart Wachter in Ruhestand

Gruppenbild des Kirchenvorstandes mit Pfarrer Reinhart Wachter und seiner Frau Petra (1. Reihe, 3. u. 4. von links)
Fotos: Peter Hadanczik-Trapp

27.08.2021 / GERSFELD (RHÖN) - "Eigentlich wollte ich gar nicht nach Gersfeld", offenbart Pfarrer Reinhart Wachter, der dort am Sonntag feierlich aus seinem Amt als Gemeindepfarrer verabschiedet wurde, im Gespräch mit O|N. Pfingsten 2003 hat er sich dann aber doch einen Tag Zeit genommen und sich seinen künftigen Wirkungsort genau angeguckt - "und dann habe ich mich an meinem Geburtstag entschlossen, hier zu bleiben." Geboren im nordhessischen Witzenhausen war Wachter schon als Kind gewöhnt, sich neuen Gegebenheiten so schnell wie möglich anzupassen. "Mein Vater war Pfarrer und die werden von ihrer Landeskirche ja häufig versetzt. So sind wir bestimmt um die 15-mal umgezogen. Pfarrerskinder kommen viel rum", sagt er, der nach seinem Theologiestudium in Göttingen ebenfalls weit in Hessen herumgekommen ist. 

Von seiner neuen Gemeinde wurde er offensichtlich auch gut im Kurort unter der Wasserkuppe empfangen. "Der Posaunenchor hat mir ein Ständchen dargebracht, noch ehe unsere Möbel da waren", erinnert er sich an seinen Start. Mit den Gersfeldern, die wie die meisten Rhöner ihr Herz eher nicht auf der Zunge tragen, gab es keine Berührungsängste. "Es ist ja nicht falsch daran, wenn jemand erst mal guckt und überlegt, ehe er sich äußert", findet Wachter und fasst es knapp zusammen: "Die Leute hier sind treu und verlässlich."

Gemeinsam mit seiner Frau Petra, die nicht nur als Lektorin und beim Kindergottesdienst in der Gemeinde aktiv war, hat Wachter sein Pfarramt segensreich ausgefüllt. "Wir haben uns immer als Team auf dieser Stelle verstanden. Das kenne ich schon von meinen Eltern nicht anders", berichtet Wachter. Seine Frau höre seine Predigtentwürfe als erste und sei durchaus kritisch und konstruktiv. Die außergewöhnlich gute Zusammenarbeit mit den katholischen Amtsbrüdern und das christliche Miteinander der beiden Konfessionen, das nicht überall so selbstverständlich ist wie in Gersfeld, sei größtenteils der gelebten Ökumene von Pfarrer Wachter zu verdanken, waren sich die Laudatoren bei seiner Abschiedsfeier am Sonntag einig. "Pfarrer Reinhart Wachter verstand sein Pfarramt immer als gemeinsames Pfarramt mit seiner Frau Petra. Die evangelischen und die katholischen Christen in Gersfeld und die Bürgerinnen und Bürger der Stadt verdanken beiden sehr, sehr viel. Reinhart und Petra Wachter waren ein Segen für Gersfeld", sagt Dekan Bengt Seeberg anlässlich der feierlichen Verabschiedung.

Rekord im Spendensammeln für die Sanierung der Barockkirche



Ein weiteres wichtiges Betätigungsfeld war für Pfarrer Wachter das Anschieben der überfälligen und teuren Sanierung der denkmalgeschützten Gersfelder Barockkirche. Wie er und seine Mitstreiter es mit ansteckender Begeisterungsfähigkeit und vielerlei Aktionen geschafft haben, rund 200.000 Euro an Spendengeldern für den Erhalt des Kulturdenkmals zu sammeln, ist unerreicht. "Wir halten mit unserem Eigenbeitrag an Spenden den ersten und zweiten Platz in der ganzen Landeskirche. Die nächstbeste Gemeinde liegt rund 30.000 Euro darunter", sagt der 63-Jährige berechtigt stolz.

Für seinen Ruhestand hat Wachter keine besonderen Pläne. "Das lass ich auf mich zukommen. In meinem Leben hat das immer gut geklappt", sagt er und blickt zufrieden auf seine Amtszeit und sein bisheriges Dasein zurück. Seine anfängliche Skepsis ist jedenfalls vollständig verschwunden, er will mit seiner Familie in Gersfeld wohnen bleiben. (Carla Ihle-Becker)+++

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