Lesung in der Villa Raab
Tim Frühling überzeugt als Buchautor mit seinem Neulingswerk "Totgegrillt"
Fotos: Anja Kierblewski / PR.Agentur MARLIK
28.07.2021 / ALSFELD -
Er ist ein Mann der Worte. Was er sagt, liest und schreibt sitzt und trifft – den Humor. Selbst dann, wenn es um ein ernstes Thema wie Mord in seinem mitgebrachten Kriminalroman "Totgegrillt" geht. Tim Frühling – Radiomoderator, Wetterfrosch und seit zehn Jahren auch Buchautor – bewies am Sonntag seine Eloquenz sowie rhetorische und intonierenden Fähigkeiten, aber auch seine feinen Antennen: Alles was am Rande seiner Lesung auf der "bühne rôtbuche" im Garten der Villa Raab geschah, baute er spontan mit in seinen Auftritt ein – das Martinshorn in Altenburg, der vorbeigetragene Streuselkuchen, von dem er sich wünschte, es wäre Speckkuchen (Salzekuchen) gewesen, aber auch die vollautomatische Toilette des "hôtel villa raab" mit Dusch- und Föhnfunktion, die er kurz vor seinem Auftritt noch entdeckte.
Es war eine tolle Show, die der Wahl-Frankfurter unter der Rotbuche ablieferte. Wobei, Show ist in dem Fall eigentlich eine Beleidigung, denn der 45-Jährige zeigte sich sehr authentisch, unkompliziert und kontaktfreudig. Er ist einfach ein unterhaltsamer Typ, dem Wortwitz und Phantasie scheinbar mit in die Wiege gelegt wurden. Ein echter Entertainer und Publikumsmagnet.
Mutter plaudert aus dem Nähkästchen
100 Besucher hören gespannt zu
Von seiner Seriosität war am Sonntagnachmittag nichts zu merken, zumindest nicht von einer etwaig einhergehenden Steifheit oder Humorlosigkeit. Im Gegenteil: In kurzer Hose und Turnschuhen saß Tim Frühling entspannt auf seinem Barhocker, las aus seinem Buch oder erzählte daraus – manchmal so ineinander übergehend, dass man als gebannter Zuhörer gar nicht den Unterschied bemerkte.Stattdessen konzentrierte sich der Autor darauf, wortgewandt den Mercedes der Grills – einen hochkomplexen Weber-Grill, den manche lieber in den Vorgarten stellen als darauf grillen würden – mit allen Raffinessen zu beschreiben oder sich besondere Dips und Soßen für das Barbecue auszudenken, von denen er dringend abriet, sie nachzukochen: "Das ist hier ein Krimi und kein Rezeptbuch!" In der Ankündigung versprach er eine kulinarisch versierte Persiflage auf Edelsteak – wenn auch die Gäste von Leo Vossen in dem Grillfleisch-Krimi nicht das bekamen, was ihnen angekündigt wurde, die Zuhörer im Garten der Villa bekamen es.
Ein ernster Krimi
"Mir ist es wichtig, dass meine Leser oder Zuhörer sich in den Situationen wiederfinden oder ähnliche Situationen oder Menschen kennen", erläutert Tim Frühling am Rande der Lesung im Gespräch, für das er sich mit seiner Leserschaft auch viel Zeit nahm. So kam es auch zu seinem ersten Buch "Nichts kann ich mir am besten merken". "Ich wollte einfach mal ein paar Sachen aufschreiben, die ich mir merken kann oder die mir auffallen – Unnützes eigentlich – das jeder aber irgendwie auch kennt", erinnert er sich. Damals gab er seine Geschichtensammlung an eine Bekannte aus dem Fischer-Verlag und war völlig überrascht, dass sie seine Geschichten als Buch veröffentlichen wollte.An seiner Idee des Schreibens, seiner persönlichen Note, allseits bekannte Alltagsszenen so überspitzt und mit dramaturgisch aufbauendem Humor so zu erzählen, dass er sowohl Spannung aufbaut als auch die Leser – oder in dem Fall Zuhörer – zum herzhaften Lachen bringt, hat er bis heute festgehalten. Auch in seinem Krimi, den seine Mutter ernster findet, als die letzten Bücher, wie der "Hessentagstod" oder die Geschichten von Kommissar Daniel Rohde aus Bad Hersfeld.
Mutters Feedback in der Pause ernst genommen – schließlich war es eine der ersten Lesungen, die Tim Frühling mit seinem im Mai 2021 erschienenen Buch "Totgegrillt" gab – beendete er seinen Auftritt nicht mit der Szene der Leiche, sondern griff noch mal zu seinem Erstlingswerk.
Lange Autofahrten in der Kindheit
Als hätte er gehört, was Mutter Christine am Rande der Bühne stolz über die Fantasie ihres Jungen erzählte, wählte er ausgerechnet die Szenen, die an die langen Autofahrten seiner Kindheit quer durch Deutschland erinnern. Er gab diese zum Besten, allerdings jetzt mit der Reflektion eines gestandenen Mannes: Scharfsinnige Gedanken über Aufkleber, die innerhalb von Sekunden schon ganze Geschichten über die Familie im Auto erzählen und die Menschen "soooo leicht in Schubladen einteilen" ließen: Die gekreuzten Schwerter der Sansibar, der verkorkste Knochen, der Sylt darstellen soll, die Atomkraft-Gegner-Aufkleber aus den 80ern – die ihm allerdings sehr sympathisch sind, denn in den 80ern kenne er sich aus, sowie die Eltern, die die Namen ihrer Kinder auf die Heckscheibe kleben: "Früher waren die Aufkleber dafür gedacht, dass der Hintermann aufgrund der leichteren Verletzlichkeit eines kleinen Kindes im Wagen davor langsamer fahren möge. Bei mir sorgen sie dafür, möglichst eng aufzufahren, um auch genau entziffern zu können, mit welcher Scheußlichkeit eines Namens der Trottel vor mir seine Brut lebenslang quälen will." Stichwort: "Priscilla-Joelle-Charmaine an Bord". (pm) +++