Hessens Innenminister im O|N-Gespräch (1)

Peter Beuth (CDU) zur Lage bei der Polizei: "Natürlich mache ich auch Fehler"

Das Ziel von Hessens Innenminister Peter Beuth: Die hessische Polizei soll baldmöglichst wieder einen tadellosen Ruf genießen.
Fotos: Hendrik Urbin

30.07.2021 / WIESBADEN - Hessens Innenminister Peter Beuth (53, CDU) ist gut gelaunt, als er um die Mittagszeit OSTHESSEN|NEWS zum großen Sommer-Interview in das Hessische Ministerium des Inneren in Wiesbaden lädt. Bereitwillig gibt er 90 Minuten lang Auskunft über Licht und Schatten bei Hessens Polizei, die Corona-Pandemie, Hessens Sportvereine und den Katastrophenschutz. 



Teil 1: Licht und Schatten bei Hessens Polizei

Wenig Verbrechen, hohe Aufklärungsquote. Nach Bayern und Baden-Württemberg ist Hessen das drittsicherste Bundesland Deutschlands. Auf den ersten Blick scheint die Arbeit der hessischen Polizei hervorragend. Größtenteils ist sie es auch bei zahlreichen, tagtäglichen Einsätzen.

Doch es gibt auch schwerwiegende Probleme bei Hessens Ordnungshütern, die Liste der Skandale ist lang. Das SEK Frankfurt wurde nach rechtsextremen Chats vor wenigen Monaten aufgelöst, NSU 2.0-Drohbriefe erschüttern das Land seit Jahren und immer wieder gibt es gegen Beamte Vorwürfe wegen Polizeigewalt.

Gleichermaßen verantwortlich für die Erfolgsgeschichte und die Misserfolge der hessischen Polizei in den vergangenen Jahren ist Innenminister Peter Beuth. Seit 2014 ist der CDU-Mann als oberster Dienstherr der Landespolizei für das Wohlergehen und die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Hessen verantwortlich.

Beuth erzählt im O|N-Gespräch gerne von Investitionen in die Sicherheit des Landes, den Stellen die er geschaffen hat. Bald gäbe es 20 Prozent mehr Vollzugsbeamte in Hessen als noch zu seinem Amtsantritt 2014. Etwa 20.000 Polizisten habe Hessen dann. 

Erfreuliche Entwicklung in Hessen: Zwei von drei Straftaten aufgeklärt

"Die hessische Polizei ist modern", sagt Beuth. Auch in Dienststellen und Bewaffnung sei investiert worden, taktische Konzepte wurden angepasst, um den wachsenden Herausforderungen standzuhalten. Islamistische Angriffe gehörten genauso dazu wie Internetkriminalität, die vor allem in Corona-Zeiten nochmals zugenommen habe. Doch Hessen sei im Kampf gegen die digitalen Gangster sehr gut aufgestellt. 

Besonders stolz ist Beuth auf die Entwicklungen im Bereich des Wohnungseinbruchdiebstahls, ein sehr belastendes Delikt für die Opfer. Auswertungen der Kriminalstatistik hätten ergeben: Wo ein Einbruch geschieht, ist lokal ein zeitnaher weiterer Einbruch wahrscheinlicher als anderswo. "Dieses Wissen können wir uns zunutze machen und Diebe durch Polizeipräsenz vertreiben oder bei Tatvollzug direkt dingfest machen."

Staat und Polizei müssten sehr präsent und konsequent sein. In Hessen gelinge das, wie auch die Aufklärungsquoten zeigten. "1990 waren wir bei unter 50 Prozent, mittlerweile sind wir bei gut zwei Drittel aller Straftaten, die wir aufklären. Die sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass ein Strafakt aufgeklärt wird, schreckt ab." Seit seinem Amtsantritt 2014 seien die Straftaten eindeutig und anhaltend zurückgegangen, so Beuth.

Hessens Polizei soll baldmöglichst wieder tadellosen Ruf genießen

Der Innenminister ist überzeugt: "Der überwiegende Anteil der Polizeibeamten ist tüchtig, macht die Arbeit ordentlich  und erzielt damit auch beachtliche Erfolge in der Sicherheit für unser Land. Wir müssen diesen vielen tadellos arbeitenden Polizisten und Polizistinnen den Rücken freihalten."

Das bringe auch mit sich, "das Fehlverhalten und die Straftaten einiger Polizisten, die sich leider nicht an die Regeln halten und damit die Integrität der Polizei insgesamt in Frage stellen, besonders gründlich und konsequent  aufzuklären. Es ist inakzeptabel, wenn Polizisten etwa extremistische Bilder austauschen".

Für Polizisten gelten besonders sensible Maßstäbe: "Polizeibeamter ist man immer. Ein Polizist muss sich gut und anständig benehmen." Man könne als Polizist zwar seine Uniform, die Schutzweste und seine Waffe ablegen, doch nicht die Verantwortung und Vorbildfunktion. "Ein Polizeibeamter ist ein Botschafter des Rechtsstaates." Das Bild des Polizisten in der Öffentlichkeit sollte nach wie vor das des "Freund und Helfers" sein.

Seit es vor zweieinhalb Jahren in Hessen immer wieder Probleme gab, seien bereits viele Maßnahmen getroffen worden. Doch einen Apparat mit 20.000 Mitarbeitern stelle man nicht von jetzt auf gleich um.

"Fehlverhalten einer Dienstgruppe kann nicht der Polizeipräsident feststellen"

Dem Innenminister ist es wichtig, dass sich Polizei-Kollegen aufeinander verlassen und einander vertrauen können. Das heiße aber auch, dass es eine Fehlerkultur brauche. Gefragt seien dabei die Kollegen untereinander und die untersten Führungsebenen. "Das Fehlverhalten in einer Dienstgruppe kann nicht der Polizeipräsident feststellen, das Fehlverhalten muss vor Ort in der Dienststelle auffallen und ein Umgang damit gefunden werden", so Beuth. "Wenn eine ungesunde Struktur wächst, muss darauf geschaut und unmittelbar reagiert werden."

Helfen könne dabei auch die Unterstützung einer Expertenkommission, die von außen auf die Polizei blickt, wichtige Hinweise und Änderungsvorschläge kommuniziert. "Den Leitbildprozess werden wir jetzt aufnehmen und gemeinsam entwickeln. Das kann man nicht einfach verordnen, das müsse von innen heraus entstehen", so Beuth.  

Doch der Innenminister mahnt auch vor zu hohen Erwartungen: "Von den Polizeibeamten wird immer erwartet, dass sie schnell reagieren. Da sind Fehler auch in Zukunft nicht ausgeschlossen. Polizisten machen genauso Fehler wie jeder Andere." Beuth selbstkritisch: "Natürlich mache ich auch Fehler. Aber die Frage ist doch: Wie geht man damit am Ende um?"

Hessens Politik und Polizei müssten nun gemeinsam dafür Sorge tragen, dass die Integrität sich als "blitzsauber darstellt". Beuths Ziel: Die hessische Polizei soll baldmöglichst wieder einen tadellosen Ruf genießen.

Beuth: "Es gibt im Leben Situationen, da kannst du nicht gewinnen."

Das Wirken der hessischen Polizei gleicht einem Spiel zwischen Sieg und Niederlage, wie Innen- und Sportminister Beuth es bereits aus Kinder- und Jugendtagen vom Tennis kennt. "Der frühe spielerische Umgang mit Wettkämpfen lassen einen später leichter durchs Leben gehen" ist der Wahl-Hesse überzeugt. "Man lernt von klein auf, mit Siegen und Niederlagen umzugehen."

Beuths größter Sieg im Sport ist lange her: Doppelstadtmeister im Tennis vor 35 Jahren. Und auch Niederlagen musste der gebürtige Rheinländer einstecken lernen. "Meine schönste Niederlage war bei einem Tennisturnier gegen den heutigen Vize-Präsidenten des Hessischen Tennisverbandes (Michael Otto). Da habe ich zwar verloren, doch ich habe nach meiner Einschätzung das beste Tennisspiel meines Lebens gemacht."

Hessens Innenminister sagt im Gespräch über seine sportliche Vergangenheit einen Satz, der ihm auch in seinem politischen Wirken als Innenminister in dem ein oder anderen Moment ein guter Rat sein dürfte: "Es gibt im Leben Situationen, da kannst du nicht gewinnen. Da kannst Du nur schauen, dass du das Beste aus der Situation machst."

Die Aufgaben eines Innenministers seien schön und herausfordernd. "Sie machen mir nach wie vor große Freude. Auch wenn die Herausforderungen nicht klein sind, habe ich den gesunden Ehrgeiz, diese auch zu lösen", so Beuth. Eines ist dem CDU-Minister dabei klar: "Es ist ausgeschlossen, es allen recht zu machen. Das ist auch nicht mein Anspruch."


Lesen Sie morgen bei OSTHESSEN|NEWS im zweiten Teil des Gesprächs mit Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU), was er über Corona, Impfzentren, Sportvereine und den Katastrophenschutz zu sagen hat. (Christian P. Stadtfeld und Tobias Bayer) +++

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